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Der in der ew’gen Engel Herz entglühte,
Ist’s, der die Wahrheit klärlich mir beweist.[1]

40
Gleichfalls versichert sie mir im Gemüthe,

Der einst zu Moses sprach, der wahre Hort:
Dein Angesicht schau’ alle meine Güte.

43
Du prägst sie ein auch, hohes Heroldswort

Beginnend vom Geheimniß dieser Sphären.
Lauter, als Andres tönt’s auf Erden fort:““

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Da sprach’s: „Nach menschlichen Verstandes Lehren,

Und höherm Wort, das beistimmt dem Verstand,
Muß sich zu Gott dein höchstes Lieben kehren.

49
Doch fühlst du nicht noch manches andre Band[2]

Zu ihm dich ziehn? Du sollst mir jedes nennen,
Mit welchem diese Liebe dich umwand.“

52
Nicht war der heil’ge Wille zu verkennen

  1. [39. Die Wahrheit, daß, da das Gute nothwendig Liebe erwecken müsse, das höchste Gut auch die höchste, erste Liebe erwecken müsse, war V. 28–36 hingestellt worden als ein Schlußsatz, bei dem mit Sicherheit das Letzte aus dem Ersten folge, V. 36. – Nun erübrigt der Beweis, daß Gott dieses höchste Gute sei. Dieser wird in den drei unmittelbar letzten Versen 37–39 begonnen aus der Philosophie. Für einen Vertreter der letzteren muß dem Dichter der falsche Dionysius gegolten haben, der in seiner „himmlischen Hierarchie“ den, hier ziemlich sicher benützten, Satz hat, daß Gott, als die höchste Güte und Schönheit, die erste Liebe der vollkommensten und ewigen Substanzen, der Engel sei, welche für Dante ja als Intelligenzen die Himmelskreise, das ganze Weltsystem lenken (Ges. 2, 127; 8, 37). In den folgenden Versen sehen wir dann jenen Beweis fortgesetzt aus der h. Schrift, V. 40–45, und zwar aus 2. Mos. 33, 19 und Ev. Joh. 1, 1. In der ersten Stelle bezeichnet sich Gott selbst als den Inbegriff alles Guten; nach der andern beweist er sich als solchen durch die Manifestation und Mittheilung der unendlichsten Güte in der Zeugung des Worts, des Sohnes. – Endlich wird der ganze, tiefsinnige Beweis resummirt in V. 46–48.]
  2. [49 ff. Schließlich erhebt sich noch eine letzte Frage, die alte, vielbehandelte Frage: ob nun Gott blos um dieser Erkenntniß willen, daß er das höchste Gut ist, also blos um seiner selbst willen, oder auch „um Andres willen“ zu lieben sei? – Antwort: ja; aber nicht um anderer, außer ihm liegender Zwecke, sondern um seiner Werke und Wohlthaten willen in Schöpfung und Erlösung, sowie um der, darauf gründenden christl Hoffnung willen, V. 55–63. So sind auch die Mitmenschen allerdings um ihrer göttl. Begabung und Bestimmung willen in diese Gottesliebe eingeschlossen, V. 64–66.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_557.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)