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Im Heidenthal.

Sacht gleitet von den Bäumen
Der müde Sonnenstrahl,
Zu stillen, süßen Träumen
Nickt ein das Waldesthal.

5
Es ruht in seinem Schatten

Ein duftgebornes Kind,
Auf sammetweichen Matten
Träumt es im Abendwind.

Mit grünen Baldachinen

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Von Nixen überwebt,

Von klugen Haidebienen
Umsungen und umlebt;

Von zarten Elfenhänden
Umschleiert ganz mit Gold,

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Ruht’s an den Bergeswänden

So traut, so wunderhold.

Mit hellen Lerchenstimmen
Grüßt fern die blaue Höh,
In Purpurwölkchen schwimmen

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Sie wie in rothem Klee.


Hoch mit den Firnen tauschen
Die Wölkchen noch ein Wort,
Der Wald mit leisem Rauschen
Trägt es zu Thale fort.

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Und all’ die Blumen nicken

Es fort von Rain zu Rain,
Mit Thauesperlen sticken
Sie’s rings im Thale ein.

Das Kind, von Duft umflossen,

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Steht wie ein Priester da –

O, wem das Herz erschlossen,
Wohl nie ein schön’res sah!

Es senkt das Haupt, das holde,
Hinschmelzend beugt’s die Knie’ –

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Das ist im Abendgolde

Die Waldespoesie.

 Ernst Meyer-Detmold.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald. Meyer, Detmold 1875, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Hermanns-Denkmal_und_der_Teutoburger_Wald.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)