Der Größere legte mir da die Hand auf die Schulter …
„Herr Hubert, rennen Sie nicht in Ihr Verderben! Ich warne Sie! Sie ahnen nicht, was Ihnen droht …!“
Aber ich blieb jetzt bei der einmal eingeschlagenen Taktik …
„Redensarten!! – Geben Sie mir Beweise!“
„Gern, Herr Hubert … Sie wären schon vorgestern nacht auf dem Brauberg für immer verschwunden, wenn wir nicht den … Mörder verscheucht hätten …! Besinnen Sie sich: Als Sie die Leiche der Frau beleuchteten, hörten Sie den Ruf einer Nachteule …“
„Ja – allerdings …!“
„Nun – die Eule war ich! Und diese Eule zwang den Mann zum Verzicht auf seine Pläne …“
Jetzt wurde mir doch unbehaglich zumute …
Ich erwiderte höflicher:
„Dann – kennen Sie auch den … Mörder …! Es … war Winter, August Winter …“
„Es gibt noch keinen Mörder, Herr Hubert … Die Dinge liegen doch etwas anders als Sie glauben … – Also – wer hat Sie auf uns aufmerksam gemacht?“
„Fräulein Wendig, die alte Lehrerin … Ihr sind Sie beide aufgefallen …“
„Und Fräulein Hilde?“
„Weiß nichts und soll nichts wissen! – Sie können mir Vertrauen schenken … Ich lüge nicht …“
„Das hoffen wir …“
Dieser Schlanke hatte eine ganz besondere Art Menschen zu behandeln …
Man bezeichnet derartige Leute, deren geistiges Übergewicht man so deutlich spürt, mit dem Ausdruck „Persönlichkeit“ …
Und das war dieser Mann …
Sein Ton mir gegenüber änderte sich jetzt. Er wurde liebenswürdig und beinahe herzlich …
Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)