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„Seit achtzehn Jahren.“

Schaper atmete auf. Hier befand er sich also an der richtigen Quelle. Mit wenigen Worten brachte er nun sein Anliegen vor.

Der alte Herr nickte freundlich.

„Was ich weiß, sollen Sie erfahren. – Die Wendels sind eine alteingesessene Danziger Familie und waren früher mit die reichsten der Danziger Patrizier-Geschlechter. Vielleicht ist Ihnen das in die Mauer eingelassene Schild über der Haustür in die Augen gefallen. Es ist ein Wappen, das der Familie Wendel, die als eine der wenigen Danziger Familien zur Führung eines solchen berechtigt ist. Mit Markus Wendel, dem Vater der „feindlichen Brüder“, – Sie werden bald verstehen, weshalb ich diesen Ausdruck gebrauche, – begann der Niedergang des Geschlechts. Die Wendels bewohnten damals noch dieses ganze Haus. Ihre Gastfreundlichkeit war berühmt, nicht minder ihre an Verschwendungssucht grenzende üppige Lebensweise. Mit einem Wort: Das Holzgeschäft, das bis dahin glänzend gegangen war, verkrachte plötzlich, und die Wendels standen buchstäblich vor dem Nichts. Hätten nicht gute Freunde sie unterstützt, so wären sie ganz untergegangen, obwohl die beiden erwachsenen Söhne den Eltern nach Möglichkeit halfen. Denn die beiden alten Wendels überlebten den Schicksalsschlag nicht lange. Es kann so um das Jahr 1890 gewesen sein, als sie kurz hintereinander starben. – Ich muß an dieser Stelle nachholen, daß die beiden Brüder, die nicht sehr gut miteinander standen, in demselben Geschäft, einer Zuckerexportfirma, tätig waren. Wie es leider schon öfter geschehen ist, wollte es ein unglücklicher Zufall, daß sie sich bald nach dem Tode der Eltern in dasselbe junge Mädchen verliebten, eine ziemlich begüterte Waise, die jedoch lange schwankte, wem von ihren beiden so nahe verwandten

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W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/31&oldid=- (Version vom 25.7.2016)