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10. Über die Theorie der relativ-Abelschen Zahlkörper[1].
[Acta Mathematica Bd. 26, S. 99–132 (1902).]

§ 1.

In der Theorie der relativ-Abelschen Zahlkörper nehmen zunächst die Körper vom zweiten Relativgrade unser Interesse in Anspruch.

Es sei ein beliebiger Zahlkörper vom Grade als Rationalitätsbereich zugrunde gelegt; unsere Aufgabe ist es dann, die Theorie der relativquadratischen Zahlkörper , d. h. derjenigen Körper zu begründen, die durch die Quadratwurzel aus einer beliebigen ganzen Zahl des Körpers bestimmt sind. Die „disquisitiones arithmeticae“ von Gauss sind als der einfachste Fall in jenem Problem enthalten. Wir können unsern Gegenstand auch als die Theorie der quadratischen Gleichungen oder Formen bezeichnen, deren Koeffizienten Zahlen des vorgelegten Rationalitätsbereiches sind.

Die Theorie des relativquadratischen Körpers führte mich zur Entdeckung eines allgemeinen Reziprozitätsgesetzes für quadratische Reste, welches das gewöhnliche Reziprozitätsgesetz zwischen rationalen Primzahlen nur als ein vereinzeltes Glied in einer Kette sehr interessanter und mannigfaltiger Zahlenbeziehungen erscheinen läßt.

In meiner Abhandlung Über die Theorie des relativquadratischen Zahlkörpers[2] habe ich die Theorie der quadratischen Relativkörper innerhalb eines algebraischen Grundkörpers vollständig für den Fall entwickelt, daß der Grundkörper nebst seinen sämtlichen konjugierten Körpern imaginär ist und überdies eine ungerade Klassenanzahl besitzt. Die wichtigsten der in der genannten Abhandlung aufgestellten Sätze sind das Reziprozitätsgesetz für quadratische Reste in und der Satz, demzufolge in einem relativquadratischen


  1. Mit geringen Änderungen abgedruckt aus den Nachrichten der K. Ges. der Wiss. zu Göttingen 1898.
    Inzwischen sind folgende auf diesen Gegenstand bezügliche Inaugural-Dissertationen in Göttingen erschienen: Das quadratische Reziprozitätsgesetz im quadratischen Zahlkörper mit der Klassenzahl 1. von H. Dörrie 1898, Tafel der Klassenzahlen für kubische Zahlkörper von L. W. Reid 1899, Das allgemeine quadratische Reziprozitätsgesetz in ausgewählten Kreiskörpern der -ten Einheitswurzeln von K. S. Hilbert 1900, Quadratische Reziprozitätsgesetze in algebraischen Zahlkörpern von G. Rückle 1901. Insbesondere die letzte Dissertation enthält zahlreiche und interessante Beispiele zu der hier entwickelten Theorie.
  2. Math. Ann. 51, 1–127 (1899). Dieser Band Abh. 9, S. 370–482.
Empfohlene Zitierweise:
David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/500&oldid=- (Version vom 31.7.2018)