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iren giftigen Stacheln über den entsezten Gastgeber her und zerstachen in jämmerlich. Schmerzlicher aber als ire Stiche war der Stachel der Vorwürfe, den der Mann im Herzen fülte. Er gab reuig das Rebstück den Brüdern des Deodatus zurück und bat um ire Verzeihung. So blib das Rebstück biß in die jezige Zeit den Stiftsherren von St. Dié zu eigen.

Richer I cap. IX.


7 Das Dorftier von Tannenkirch[1]

In Tannenkirch soll sich zwischen dem Oberdorf und dem Zinimerplaz in der Zeit um Weihnachten ein Gespenst bald in der Gestalt eines Lammes, Hunes oder Hasen zeigen. Ein Mann, der noch angesehen in Tannenkirch lebt, erzälte, daß als er einst um Mitternacht des Weges gieng, er plözlich ein Lamm am Wege sten sah. Da im nächsten Hause noch Liecht war, gieng er hinein und sagte den Leuten, sie sollten hinaus gen und ir Lamm hineinfüren. Die Leute erschracken, sagten es wäre nicht ir Lamm, sie wollten auch dasselbe nicht und leschten augenblicklich das Liecht aus.


8 Die Hexe von Tannenkirch

Derselbe Mann, damals Scharwächter des Dorfes, sagte oft, er fürchte nichts, weder den Teufel noch Gespenster. Als er einst wider pralte, meinte eine alte Frau, sie würde es fertig bringen, daß er sich fürchte. Der Mann lachte und vergaß bald die Drohung. Als er eines Nachts nach Hause gieng, sah er plözlich an seiner rechten Seite eine große Kaze, die im beständig folgte. Mere andere schloßen sich nach und nach an. Der Mann hatte einen schweren Stock in der Hand, wagte jedoch nicht zu schlagen, da es Unglück bringt, wenn man eine Kaze mit der rechten Hand schlägt. Erst als er eine Haustür erreicht hatte, wandte er sich um, den Hexentieren einen Schlag zu versezen, doch dise waren augenblicklich verschwunden. Der Mann gestand, daß er doch genug Angst und Furcht wärend des Ganges empfunden habe.


9 Der zauberkundige Widertäufer im Münstertale

Im Münstertale lebte ein Widertäufer, Namens Steiner, der Jare lang die Steinbachhütte am Lauchenkopf in Pacht hatte und allerorten im Rufe stand, zaubern zu können. Er starb hochbetagt und allbeliebt 1830 auf seinem Hofe Faseneck am Fuße des Solberges bei Münster. Wie er in den Rufe des Festbannens kam erzälte einer seiner Nachkommen, der jezt einen kleinen Hof am


  1. Vgl. über die Gespenstertiere im Elsaß Aug. Stoebers Abhandlg. in dessen Neujahrstollen f. 1850. S. 34 ff.
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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XII. Marcus, Bonn 1884, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XII_112.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)