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»Der Kommissär der Republik. Metz, den 28. November 1918.
Herr Bischof!

Ich erhielt eine Einladung zum »Te Deum« des 1. Dezember. Da diese Einladung Ihre Unterschrift trägt, verbietet mir meine Pflicht, ihr zu folgen. Aber da weder bei Ihnen noch bei einem einzigen meiner lothringischen Brüder der geringste Zweifel über die Gründe bestehen soll, die meine Absage verlangen, muß ich Ihnen diese Gründe auseinandersetzen und alsdann diesen Brief veröffentlichen.

Diese Gründe haben keineswegs konfessionellen Charakter. Ich glaube wohl, daß es in »Meurthe & Moselle« nicht einen einzigen Priester oder eine Schwester gibt, denen ich nicht Freund war und bleibe. Ich hoffe ebenso, daß es in diesem einst annektierten Lothringen nicht einen Priester oder eine Schwester mit französischer Gesinnung gibt, mit denen ich nicht bald Freund sein werde.

Was nun die religiösen Feierlichkeiten betrifft, so braucht nur eine größere Anzahl meiner französischen Brüder oder Schwestern in sittlich hochgestimmter Form gemeinsam ihren Schmerz oder ihre Freude bekunden zu wollen, und ich werde schon aus einfachem Mitgefühl mich ihnen beigesellen. Wenn ich also von einem lothringischen Priester zu einer von französischer Gesinnung beseelten Feier eingeladen worden wäre, so hätte ich mich eingefunden.

Der Grund meiner Absage hat andererseits durchaus keinen Charakter persönlicher Gereiztheit gegen Sie. Deutschland hat während dieser vier Kriegsjahre Verbrechen aufgehäuft. Nicht zu reden von den - entsetzlichen! - gegen Laien begangenen, hat es in Belgien wie in Frankreich Tod selbst in die Reihen des Klerus gesät. Der hochwürdigste Bischof von Nancy hat, zitternd vor Schmerz und Zorn, die traurige Liste seiner lothringischen Priester veröffentlicht, die ermordet wurden. Ich selbst habe mehr als einmal, besonders in Gerbéviller, die glorreichen und in meinen Augen durch die Schläge und das Anspeien von Deutschen gleichsam geheiligten Wangen alter lothringischer Priester geküßt. Selbst hier in Metz hatte ich die große Ehre, mehrere Nonnen von französischer Gesinnung mit ehrerbietiger

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_202.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)