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haben hier eine große, heilige Pflicht zu erfüllen. Sie müssen das Öl christlicher Liebe über die aufgeregten Wogen der Leidenschaft gießen und so dieselben wieder sänftigen und plätten.... Und wenn auch jemand Unrecht getan hätte, schweres Unrecht, so müßt Ihr als Christen ihm verzeihen; andernfalls würde Gott Euch Eure Schuld nicht vergeben.... Noch viel weniger dürfen wir unseren Unwillen an Unschuldigen auslassen für das Unrecht, das uns andere zugefügt haben.... Der Christ rächt sich nicht, er verzeiht nach dem Beispiele seines Erlösers, der selbst für seine Henker betete.... Übet die Liebe im Werke gegen jeden Notleidenden, gegen jeden, der der Hilfe bedarf. Wenn Ihr könnt, so verschafft Arbeit und Verdienst denen, die ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise gewinnen wollen. Verabscheut aus ganzer Seele das unchristliche Verfahren, das man Boykott nennt. Verkümmert niemanden die Wohltaten des allgemeinen Verkehrslebens; bei Kauf und Verkauf erklärt niemanden in Verruf«....

In diesem Geiste selbstloser, alle umfassender Liebe suchte Bischof Willibrord in jenen aufgeregten Zeiten die Herzen zu versöhnen. Freilich fand er in diesem Bestreben bei manchen kein Verständnis, ja es wurde ihm in der Kammer zu Paris der Vorwurf gemacht, er sei der aktivste Förderer des Deutschtums. Der Oberhirte fühlte zu seinem Schmerze immer besser, daß für ihn unter diesen Verhältnissen auf die Länge der Zeit in Metz kein fruchtbringendes Wirken möglich sein werde.

So ist es zu erklären, daß er am 12. Januar 1919 dem heiligen Stuhl sein bischöfliches Amt aus freien Stücken zur Verfügung stellte. Er schrieb damals an den Heiligen Vater: »Im Jahre 1901 habe ich auf den Wunsch Papst Leos XIII. hochseligen Andenkens die Leitung der Diözese Metz übernommen. Jetzt, da die Verhältnisse andere geworden sind, verlangt es vielleicht der größere Nutzen der Kirche, daß die Verwaltung meiner Diözese einem anderen Hirten übertragen werde. Wenn dem so sein sollte, so lege ich bereitwillig das mir anvertraute Amt in die Hände Eurer

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)