Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 330.jpg

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mit feinen Fasern, andere durch Berührung mit Borsten, andere mit einer ebenen oder gefurchten Oberfläche am meisten gereizt. Die empfindlichen Organe der Drosera und Dionaea sind auch in sofern specialisirt, als sie nicht durch das Gewicht oder das Auffallen von Regentropfen oder Luftstöszen nutzlos afficirt werden. Dies kann man so erklären dasz man annimmt, diese Pflanzen und ihre Erzeuger seien an die wiederholte Einwirkung von Regen und Wind gewöhnt worden, so dasz keine molecularen Veränderungen dadurch veranlaszt werden; während sie mittelst natürlicher Zuchtwahl gegen den seltneren Auffall oder Druck fester Körper empfindlicher gemacht worden sind. Obgleich die Absorption verschiedener Flüssigkeiten durch die Drüsen der Drosera Bewegung erregt, so besteht doch ein groszer Unterschied zwischen der Wirkung verwandter Flüssigkeiten, so beispielsweise zwischen gewissen vegetabilischen Säuren und zwischen citronensaurem und phosphorsaurem Ammoniak. Die specialisirte Natur und Vollkommenheit der Empfindlichkeit bei diesen zwei Pflanzen ist um so überraschender, als Niemand vermuthet, dasz sie Nerven besitzen; und aus Versuchen an Drosera mit Substanzen, welche kraftvoll auf das Nervensystem von Thieren wirken, geht nicht hervor, dasz sie irgend eine dem Nervengewebe analoge Substanz durch den Körper diffundirt enthalten.

Obgleich die Zellen der Drosera und Dionaea vollständig so empfindlich gegen gewisse Reizmittel sind, wie die Gewebe, welche die Endigungen der Nerven in den höheren Thieren umgeben, so stehen diese Pflanzen doch niedriger als selbst tief auf der Stufenleiter stehende Thiere, und zwar darin, dasz sie nicht afficirt werden, ausgenommen durch Reize in Berührung mit ihren empfindlichen Theilen. Sie werden indessen wahrscheinlich durch strahlende Wärme beeinfluszt, denn warmes Wasser erregt energische Bewegung. Wenn eine Drüse der Drosera oder eines der Filamente der Dionaea gereizt wird, so strahlt der motorische Impuls nach allen Richtungen hin und wird nicht, wie es bei Thieren der Fall ist, nach speciellen Punkten oder Organen hingelenkt. Dies gilt bei Drosera selbst für den Fall, wenn eine reizende Substanz auf zwei Punkte der Scheibe gelegt worden ist und wenn alle Tentakeln ringsherum mit wunderbarer Genauigkeit nach diesen beiden Punkten hin eingebogen werden, Die Schnelligkeit, mit welcher der motorische Impuls fortgeleitet wird, ist, obschon rapid bei Dionaea, viel geringer als bei den meisten oder allen

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_330.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)