sie bis über die Füße, und wäre nicht der beunruhigende Ausdruck ihres unregelmäßigen Gesichts gewesen, mit seinen nach den Schläfen gezogenen Spitzbubenaugen, so hätte sie in ihrer keuschen Verhüllung und dem blonden Heiligenschein ihres gekrausten Haares einem der naiven Engelchen geglichen, denen Fra Angelico hinter den Armen Flügel ansetzte.
„Erzähle mir doch, was du heute nacht erlebt hast? Ist deine Toilette bewundert worden? Waren viele schöner als du?“
Stella lächelte und zuckte leise mit den Achseln:
„Ach, es waren so viele Menschen! Du weißt, ich kümmere mich nicht um andere, ich sehe nur was mich interessiert. Die Patronesse war sehr zuvorkommend, nur zu viel mit Diamanten beladen. Sie meint aber, die Leute sollen nur wissen, wie reich man ist. Alice war sehr hübsch, aber zu tief dekolletiert.“
„Ah –“
„Ja: es erregte im Clan der Mütter unliebsames Aufsehen, besonders bei jenen, die gezwungen sind, das fleischlose Gerippe ihrer antiquierten Sprossen schamhaft zu verhüllen.
Marie Tihanyi Sturza: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Arthur Cavael, Leipzig 1905, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Geluebde_einer_drei%C3%9Figj%C3%A4hrigen_Frau_Sturza.djvu/101&oldid=- (Version vom 31.7.2018)