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auserwähltes Thier würde mithin mehr Nachkommenschaft als ein andres von geringerem Werthe hinterlassen, so dass schon auf diese Weise eine Auswahl zur Züchtung stattfände. Welchen Werth selbst die Barbaren des Feuerlandes auf ihre Thiere legen, sehen wir, wenn sie in Zeiten der Noth lieber ihre alten Weiber als ihre Hunde verzehren, weil ihnen diese nützlicher sind als jene.

     Bei den Pflanzen kann man dasselbe stufenweise Veredlungs-Verfahren in der gelegentlichen Erhaltung der besten Individuen wahrnehmen, mögen sie nun hinreichend oder nicht genügend verschieden seyn, um bei ihrem ersten Erscheinen schon als eine eigene Varietät zu gelten; mögen sie aus der Kreutzung von zwei oder mehr Rassen oder Arten hervorgegangen seyn. Wir erkennen Diess klar aus der zunehmenden Grösse und Schönheit der Blumen von Jelängerjelieber, Dahlien, Pelargonien, Rosen u. a. Pflanzen im Vergleich zu den älteren Varietäten von derselben Arten. Niemand wird erwarten eine Jelängerjelieber oder Dahlie erster Qualität aus dem Samen einer wilden Pflanze zu erhalten, oder eine Schmelzbirne erster Sorte aus dem Samen einer wilden Birne zu erziehen, obwohl es von einem wild-gewachsenen Sämlinge der Fall seyn könnte, welcher von einer im Garten gebildeten Varietät entstammte. Die schon in der klassischen Zeit kultivirte Birne scheint nach Plinius’ Bericht eine Frucht von sehr untergeordneter Qualität gewesen zu seyn. Ich habe in Gartenbau-Schriften den Ausdruck grossen Erstaunens über die wunderbare Geschicklichkeit von Gärtnern gelesen, die aus dürftigem Material so glänzende Erfolge geärndet; aber ihre Kunst war ohne Zweifel einfach und, wenigstens in Bezug auf das End-Ergebniss, eine unbewusste. Sie bestund nur darin, dass sie die jederzeit beste Varietät wieder aussäeten und, wenn dann zufällig eine neue etwas bessere Abänderung zum Vorschein kam, nun diese zur Nachzucht wählten u. s. w. Aber die Gärtner der klassischen Zeit, welche die beste Birne, die sie erhalten konnten, nachzogen, dachten nie daran, was für eine herrliche Frucht wir einst essen würden; und doch schulden wir dieses treffliche Obst in geringem Grade wenigstens dem Umstände, dass schon sie begonnen haben, die besten Varietäten auszuwählen und zu erhalten.

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_043.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)