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Bedeutung für uns, weil ihre Dauer nur vorübergehend ist. Aber die über alle diese Änderungs-Ursachen bei weitem vorherrschende Kran ist nach meiner Überzeugung die fortdauernd anhäufende Züchtung, mag sie nun planmässig und schnell, oder unbewusst und allmählicher aber wirksamer in Anwendung kommen.



Zweites Kapitel.


Abänderung im Natur-Zustande.


Variabilität. Individuelle Verschiedenheiten. Zweifelhafte Arten. Weit verbreitete, sehr zerstreute und gemeine Arten variiren am meisten. Arten grössrer Sippen in einer Gegend beisammen variiren mehr, als die der kleinen Sippen. Viele Arten der grossen Sippen gleichen den Varietäten darin, dass sie sehr nahe aber ungleich mit einander verwandt sind und beschrankte Verbreitungs-Bezirke haben.

     Ehe wir von den Prinzipien, zu welchen wir im vorigen Kapitel gelangten, Anwendung auf die organischen Wesen im Natur-Zustande machen, müssen wir kürzlich untersuchen, in wieferne diese letzten veränderlich sind oder nicht. Um diesen Gegenstand angemessen zu behandeln, müsste ich ein langes Verzeichniss trockner Thatsachen aufstellen; doch will ich diese für mein künftiges Werk versparen. Auch will ich nicht die verschiedenen Definitionen erörtern, welche man von dem Worte »Species« gegeben hat. Keine derselben hat bis jetzt alle Naturforscher befriedigt. Gewöhnlich schliesst die Definition ein unbekanntes Element von einem besondren Schöpfungs-Akte ein. Der Ausdruck »Varietät« ist eben so schwer zu definiren; gemeinschaftliche Abstammung ist meistens mit einbedungen, obwohl so selten erweislich. Auch hat man von Monstrositäten gesprochen, die aber stufenweise in die Varietäten übergehen. Unter einer »Monstrosität« versteht man nach meiner Meinung irgend eine beträchtliche Abweichung der Struktur in einem einzelnen Theile, welche der Art entweder nachtheilig oder doch nicht nützlich ist und sich gewöhnlich nicht vererbt. Einige Schriftsteller gebrauchen noch den Ausdruck »Variation« in einem technischen Sinne, um Abänderungen durch die unmittelbare Einwirkung äussrer Lebens-Bedingungen zu bezeichnen, und die Variationen dieser Art gelten nicht für erblich.

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_050.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)