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     Doch wir haben bessre Belege für diese Sache, als blos theoretische Berechnungen, namentlich in den oft berichteten Fällen von erstaunlich rascher Vermehrung verschiedener Thier-Arten im Natur-Zustande, wenn die natürlichen Bedingungen zwei oder drei Jahre lang dafür günstig gewesen sind. Noch schlagender sind die von unseren in verschiedenen Weltgegenden verwilderten Hausthier-Arten hergenommenen Beweise, so dass, wenn die Behauptungen von der Zunahme der sich doch nur langsam vermehrenden Rinder und Pferde in Süd-Amerika und neuerlich in Australien nicht sehr wohl bestätigt wären, sie ganz unglaublich erscheinen müssten. Eben so ist es mit den Pflanzen. Es lassen sich Fälle von eingeführten Pflanzen aufzählen, welche auf ganzen Inseln gemein geworden sind in weniger als zehn Jahren. Einige der Pflanzen, welche jetzt in solcher Zahl über die weiten Ebenen von la Plata verbreitet sind, dass sie alle anderen Pflanzen daselbst ausschliessen, sind aus Europa eingebracht worden: und eben so gibt es, wie ich von Dr. Falconer gehört, in Ostindien Pflanzen, welche jetzt vom Cap Comorin bis zum Himalaya reichen und seit der Entdeckung von Amerika von dorther eingeführt worden sind. In Fällen dieser Art, von welchen endlose Beispiele angeführt werden könnten, wird Niemand unterstellen, dass die Fruchtbarkeit solcher Pflanzen und Thiere plötzlich und zeitweise in einem bemerklichen Grade zugenommen habe. Die handgreifliche Erklärung ist, dass die äussern Lebens-Bedingungen sehr günstig, dass in dessen Folge die Zerstörung von Jung und[WS 1] Alt geringer und mithin fast alle Abkömmlinge im Stande gewesen sind, sich fortzupflanzen. In solchen Fällen genügt schon das geometrische Verhältniss der Zahlen-Vermehrung, dessen Resultat nie verfehlt Erstaunen zu erregen, um einfach das ausserordentliche Wachsthum und die weite Verbreitung eingeführter Natur-Produkte in ihrer neuen Heimath zu erklären. Im Natur-Zustande bringen fast alle Pflanzen jährlich Saamen hervor, und unter den Thieren sind nur sehr wenige, die sich nicht jährlich paarten. Wir können daher mit Sicherheit behaupten, dass alle Pflanzen und Thiere sich in geometrischem Verhätnisse vermehren, dass


  1. Im Original nnd
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_070.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)