Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 103.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


ihre Narbe wischen oder fremden Pollen mitbringen. Zur Befruchtung der Schmetterlingsblüthen ist der Besuch der Bienen so nothwendig, dass, wie ich durch anderwärts veröffentlichte Versuche gefunden , ihre Fruchtbarkeit sehr abnimmt, wenn dieser Besuch verhindert wird. Nun ist es aber kaum möglich, dass Bienen von Blüthe zu Blüthe fliegen, ohne den Pollen der einen zur andern zu bringen, wie ich überzeugt bin, zum grossen Vortheil der Pflanze. Die Bienen wirken dabei wie ein Kameelhaar-Pinsel, und es ist vollkommen zur Befruchtung genügend, wenn man mit einem und demselben Bürstchen zuerst das Staubgefäss der einen Blume und dann die Narbe der andern berührt. Dabei ist aber nicht zu fürchten, dass die Bienen viele Bastarde zwischen verschiedenen Arten erzeugen; denn, wenn man den eignen Pollen und den einer andren Pflanzen-Art zugleich mit demselben Pinsel auf die Narbe streicht, so hat der erste eine so überwiegende Wirkung, dass er, wie schon Gärtner gezeigt, jeden Einfluss des andern gänzlich zerstört.

     Wenn die Staubgefässe einer Blume sich plötzlich gegen das Pistill schnellen oder sich eines nach dem andern langsam gegen dasselbe neigen, so scheint diese Einrichtung nur auf Sicherung der Selbstbefruchtung berechnet, und ohne Zweifel ist sie auch dafür nützlich. Aber die Thätigkeit der Insekten ist oft nothwendig, um die Staubfäden aufschnellen zu machen, wie Kölreuter beim Sauerdorn insbesondere gezeigt hat; und sonderbarer Weise hat man gerade bei dieser Sippe (Berberis), welche so vorzüglich zur Selbstbefruchtung eingerichtet zu seyn scheint, die Beobachtung gemacht, dass, wenn man nahe verwandte Formen oder Varietäten dicht neben einander pflanzt, es in Folge der reichlichen Kreutzung kaum möglich ist noch eine reine Rasse zu erhalten. In vielen andern Fällen aber findet man, wie C. C. Sprengel’s Schriften und meine eignen Erfahrungen lehren, statt der Einrichtungen zu Begünstigung der Selbstbefruchtung vielmehr solche, welche das Stigma hindern, den Saamenstaub der nämlichen Blüthe aufzunehmen. So ist bei Lobelia fulgens eine wirklich schöne und sorgfältig ausgearbeitete Einrichtung, wodurch jedes der unendlich zahlreichen Pollen-Körnchen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_103.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)