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beim Eingang in ihr Nest, Leichen und viele Puppen der F. fusca mit sich schleppend, also nicht auf blosser Wanderung begriffen. Ich verfolgte eine 40 Ellen lange Reihe mit Beute beladener Ameisen bis zu einem dichten Haide-Gebüsch, wo ich das letzte Individuum der F. sanguinea mit einer Puppe belastet herauskommen sah; aber das zerstörte Nest konnte ich in der dichten Haide nicht finden, obwohl es nicht mehr ferne gewesen seyn kann, indem zwei oder drei Individuen der F. fusca in der grössten Aufregung umherrannten und eines bewegungslos an der Spitze eines Haide-Zweiges hing: alle mit ihren eignen Puppen im Maul, ein Bild der Verzweiflung über ihre zerstörte Heimath.

     Diess sind die Thatsachen, welche ich, obwohl sie meiner Bestätigung nicht erst bedurft hätten, über den wundersamen Sklavenmacher-Instinkt berichten kann. Zuerst ist der grosse Gegensatz zwischen den instinktiven Gewohnheiten der F. sanguinea und der kontinentalen F. rufescens zu bemerken. Diese letzte baut nicht selbst ihr Nest, bestimmt nicht ihre eignen Wanderungen, sammelt nicht das Futter für sich und ihre Brut und kann nicht einmal allein fressen; sie ist absolut abhängig von ihren zahlreichen Sklaven. Die F. sanguinea dagegen hält viel weniger und zumal im ersten Theile des Sommers sehr wenige Sklaven; die Herrn bestimmen, wann und wo ein neues Nest gebaut werden soll; und wann sie wandern, schleppen die Herrn die Sklaven. In der Schweitz wie in England scheinen die Sklaven ausschliesslich mit der Sorge für die Brut beauftragt zu seyn, und die Herrn allein gehen auf den Sklaven-Fang aus. In der Schweitz arbeiten Herrn und Sklaven miteinander um Nestbau-Materialien herbeizuschaffen; beide und doch vorzugsweise die Sklaven besuchen und melken, wie man es nennen könnte, ihre Aphiden, und beide sammeln Nahrung für die Gemeinschaft ein. In England verlassen die Herrn gewöhnlich allein das Nest, um Bau-Stoffe und Futter für sich, ihre Larven und Sklaven einzusammeln, so dass dieselben hier von ihren Sklaven viel weniger Dienste empfangen, als in der Schweitz.

     Ich will mich nicht vermessen zu errathen, auf welchem

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_233.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)