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sehen wir eine Reihe innerer Wirbel gewisse Fortsätze und Anhänge entwickeln; bei den Kerbthieren ist der Körper in eine Reihe Segmente mit äusseren Anhängen geschieden; und bei den Pflanzen sehen wir die Blätter auf eine Anzahl über einander folgender Umgänge einer Spirale regelmässig vertheilt. Eine unbegrenzte Wiederholung desselben Theiles oder Organes ist, wie Owen bemerkt hat, das gemeinsame Attribut aller niedrig oder wenig modifizirten Formen[1]; daher wir leicht annehmen können, der unbekannte Stammvater aller Wirbelthiere habe viele Wirbel besessen, der aller Kerbthiere viele Körper-Segmente und der der Blüthen-Pflanzen viele Blatt-Spiralen. Wir haben ferner gesehen, dass Theile, die sich oft wiederholen, sehr geneigt sind, in Zahl und Struktur zu variiren; daher es ganz wahrscheinlich ist, dass Natürliche Züchtung mittelst lange fortgesetzter Abänderung eine gewisse Anzahl der sich oft wiederholenden ähnlichen Bestandtheile des Skelettes ganz verschiedenen Bestimmungen angepasst habe. Und da das ganze Maass der Abänderung nur in unmerklichen Abstufungen bewirkt worden, so dürfen wir uns nicht wundern, in solchen Theilen oder Organen noch einen gewissen Grad fundamentaler Ähnlichkeit nach dem strengen Erblichkeits-Prinzip zurückbehalten zu finden.

     In der grossen Klasse der Mollusken lassen sich zwar Homologie’n zwischen Theilen verschiedener Spezies, aber nur wenige Reihen-Homologie’n nachweisen, d. h. wir sind selten im Stande zu sagen, dass ein Theil oder Organ mit einem andern im nämlichen Individuum homolog seye. Diess lässt sich wohl erklären, weil wir nicht einmal bei den untersten Gliedern des Weichthier-Kreises solche unbegrenzte Wiederholung einzelner Theile wie in den übrigen grossen Klassen des Thier- und Pflanzen-Reiches finden.

     Die Naturforscher stellen die Schädel oft als eine Reihe metamorphosirter Wirbel, die Kinnladen der Krabben als metamorphosirte Beine, die Staubgefässe und Staubwege der Blumen als metamorphosirte Blätter dar; doch würde es, wie Prof. Huxley


  1. Diese und verwandte Fragen sind in unsern Morphologischen Studien viel erschöpfender entwickelt worden, als von Owen.     D. Übs.
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_441.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)