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findet keine, zuckt die Achseln und – geht. Aber manchmal, im Traum, oder wenn man nervös, so recht drunten ist, fällt einem so ein Ruhefleck wieder ein, und man kann sogar Sehnsucht danach empfinden, eine halbe Stunde lang oder gar noch länger. Man braucht sich deshalb nicht zu schämen, das kommt bei den modernsten Menschen vor!

Eines Abends kam ein zugereister Bekannter mit Iversen herauf. Sie hatten sich im Café verschwatzt, und es war spät geworden – wozu verschlafene Hotelleute herausklingeln, wenn man ein Sopha und ein Bett besitzt? Und gerade heute mußte sich’s treffen, daß wieder Blumenduft ihm entgegenquoll, lauter frühe Rosen, und daß ein weißes Briefchen vom braunen Tischteppich leuchtete. Iversen wurde befangen, steckte hastig das Schreiben zu sich und stellte die Vase in eine dunkle Ecke. Das ungeschickte Manöver fiel auf, der „Genosse“ machte zudringliche täppische Bemerkungen; Iversen mußte an sich halten, um den Gast nicht zu beleidigen; am liebsten hätte er ihn vor die Thür gesetzt. Wie kann man nur auf den verrückten Gedanken kommen, mit einem halbfremden, gleichgültigen Menschen das Zimmer zu theilen! Er getraute sich nicht, den Brief zu lesen, mußte die Kerze nehmen und damit in die Küche gehen, die er noch nie betreten hatte. Auf dem Herde sitzend, unter der ärgsten Selbstverspottung, las er die folgenden Zeilen:

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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)