Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 43.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist auf der Seite des Chlorids Rechts-, auf der des Oleats Linksdrehung und nimmt natürlich mit steigendem Gehalt an der fremden Substanz zu, so daß bei bestimmtem Mischungsverhältnis plötzlich ein Umschlag von Rechts- in Linksdrehung stattfindet (Fig. 76). Die Konsistenz dieser Mischungen ist überdies nicht mehr schleimig-, sondern tropfbar-flüssig und zeigt infolgedessen noch andere Strukturanomalien. (S. S. 55.)

     Es gibt auch Stoffe mit zwei flüssig-kristallinischen Modifikationen, deren Moleküle natürlich verschieden sein müssen, da sich die Verschiedenheit der Eigenschaften nicht anders erklären läßt. Zu diesen Stoffen gehört z. B. Cholesterylcaprinat. Kühlt man eine dünn zwischen zwei Glasplatten hergestellte Schicht isotroper Schmelze ab, so entsteht zunächst bei Überschreitung der Umwandlungstemperatur die Modifikation I, bei weiterer Abkühlung die Modifikation II, so daß man leicht eine Stelle beobachten kann, an welcher beide Modifikationen aneinandergrenzen und sich mischen. Man sollte, da die Schichten sich beide an die Glasflächen anschmiegen, erwarten, daß zwischen gekreuzten Nicols die Grenze der beiden angeschmiegten Schichten nicht erkennbar wäre, sondern alles dunkel erscheinen müßte.

Fig. 78.

Dem ist aber keineswegs so; die Grenze erscheint vielmehr infolge von Drehung der Polarisationsebene als schmales Spektrum (Fig. 77), nämlich so, daß der violette Rand auf seiten der ersten Modifikation ist, der rote auf Seiten der zweiten. Die gleichen Farben zeigen sich im natürlichen reflektierten Licht und zwar von metallartigem Glanze, weshalb sie Schillerfarben genannt werden. Sie enthalten fast die ganze Energie der auffallenden gleichgefärbten Strahlen, fehlen also bei Durchgang von weißem Licht in diesem, so daß das austretende Licht komplementäre Färbung zeigt. Die Drehung der Polarisationsebene weist auf Schraubenstruktur wie bei den wendeltreppenartigen Glimmerkombinationen von E. Reusch (Fig. 78) hin, die große Intensität des reflektierten Lichtes (ähnlich der bei den Lippmannschen Farbenphotographien) auf Lamellenstruktur.

     Der Grund des Farbenwechsels liegt augenscheinlich darin, daß sich die beiden Modifikationen mischen können und das Mengenverhältnis der beiden Molekülarten von der Temperatur abhängt, derart, daß bei sinkender Temperatur der Gehalt an Modifikation II immer mehr zunimmt, bis dieselbe, nach-