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II.
Vorläufer und Vorbilder.

Die Geschichte des Humanismus beginnt mit Petrarka. Mit ihm beginnt auch die humanistische Geschichtschreibung. Nicht als ob er viel oder auch nur vorzugsweise Geschichtliches geschrieben hätte. Aber er schafft die neuen Gattungen und den neuen Stil. „Geschichte zu schreiben ist meine Absicht,“ sagte er in der Vorrede zu dem Buche über die berühmten Männer, „deshalb muß ich die berühmtesten Autoren zu meinen Führern erwählen, will ihnen jedoch nicht den Wortlaut der Darstellung, sondern nur das Material der Tatsachen entlehnen.“[1] – Die entscheidenden Momente der neuen Geschichtsauffassung liegen hier: das selbständige Vordringen zur echten Überlieferung und die persönliche Form. Das Buch selbst mit seinen 31 Lebensbeschreibungen bietet sodann die erste Bearbeitung der alten Geschichte im Sinne des Humanismus, es hätte seine Ergänzung in dem nicht vollendeten Buch der denkwürdigen Dinge, einer Art humanistischer Real- und Moralenzyklopädie, finden sollen. Auch das Kennzeichen aller humanistischen Geschichtschreibung findet sich schon hier: die Verwertung der Geschichte zu moralischen Gemeinplätzen. Es ist eben der erste Schritt, der von der bloß chronistischen Aufzeichnung der Ereignisse zu einer zusammenfassenden Betrachtung unter einer Idee führt, es ist zugleich das Mittel, wodurch der Humanismus mit der ausschließlich kirchlichen Betrachtung der Vergangenheit erfolgreich in Wettbewerb tritt. –

Aber fast noch wichtiger als diese größeren Werke Petrarkas sind für die humanistische Geschichtschreibung ein paar Kleinigkeiten geworden, die Petrarka ohne eigentlich historische Absicht schrieb: Sein Brief an die Nachwelt mit der ersten modernen Selbstbiographie,[2] seine Reisebriefe mit den Städtebeschreibungen von Köln, Aachen, Paris, seine Besprechung der österreichischen Freiheitsbriefe mit der ersten Urkundenkritik aus Stilgründen, seine Abwägung Scipios gegen Cäsar und so vieles andere.

  1. [222] 1) Nach der Übersetzung bei Körting, Petrarkas Leben und Werke (Geschichte der Literatur Italiens im Zeitalter der Renaissance I) 594. Vgl. Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen Altertums I3, 154 u. bes. P. de Nolhac, Pétrarque et l'humanisme II2, 1 ff.
  2. [222] 2) Über Ansätze dieser Gattung im Mittelalter handelt interessant F. Bezold, Über die Anfänge der Selbstbiographie und ihre Entwicklung im Mittelalter. Prorektoratsrede Erlangen 1893.