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Kaiser den päpstlichen Schriftsteller um fast 30 Jahre überlebt hatte. Das wird es gewesen sein, was der Augsburger Domherr Bernhard Adelmann an dem Werke bei seinem Erscheinen tadelte, als er an Pirckheimer schrieb, Naukler habe viel gesammelt, lasse aber gerade das vermissen, was man von ihm erwartet habe.[1]

Daß Nauklerus mehr leisten konnte, zeigt seine Charakteristik seines Schülers und Herrn, Eberhards des Bärtigen. Aber es ist ersichtlich, daß er je länger, je mehr sein Urteil über die Zeitereignisse absichtlich zurückhält. Schon wie er über die Konzilien dachte, ist schwer zu sagen. Er zitiert die Bulle, in der Nikolaus V. im Juni 1449 mit dem erloschenen Basler Konzil Friede machte, und fügt hinzu: Impressae sunt cum actis concilii Basiliensis in fine actorum, quae tamen sane intelligendae sunt. Von der Neutralität sagt er nur, sie sei der Kirche schädlich gewesen.[2] Für die Heiligkeit des Bruders Nikolaus von der Flüe tritt er ein, über Savonarola hat er kein Urteil. Erstaunlich ist vor allem, daß er sein Streben nach Unparteilichkeit auch den Ereignissen gegenüber nicht verlor, die die deutschen Humanisten in patriotische Wallung brachten, so daß er auch bei dem Brautraub Karls VIII. die Argumentation der Franzosen ausführlich wiedergibt. Es war eben ein alter Mann, der diesen Ereignissen gegenüberstand, und ein pessimistisch denkender. So klingt aus seiner Chronik Maximilian kein Jubelruf entgegen, wie aus der Schedels, nur ein sparsam bemessenes Lob wird ihm gewidmet. Der Reichstag zu Worms entlockt ihm nur ein bitteres Wort über die Uneinigkeit der Deutschen, und das Kreuzwunder von 1501, mit dem er schließt, verkündet ihm das Nahen des göttlichen Zornes.

Betrachtet man aber die Chronik als Ganzes, so darf man sagen, daß sie auch noch im Jahr ihres Erscheinens, 1516, die bedeutendste Leistung darstellte, welche die deutsche humanistische Geschichtschreibung bis dahin aufzuweisen hatte. Daß sie, so ganz anders geartet als die Schedelsche, doch auch ihre Leser und Liebhaber fand, zeigen die vielen Auflagen. Freilich als humanistische Weltchronik ist sie in Deutschland das letzte Produkt von Bedeutung geblieben. Aber als Darstellung deutscher Geschichte weist sie vorwärts. Hier war doch etwas ganz anderes geleistet als auch noch bei Trithemius und Wimpfeling, und wenn von Wimpfeling nicht viel mehr als Gesinnungsanregungen ausgingen, an Trithemius sich nur eine Mönchsgeschichtschreibung anschloß, so führen von Naukler und den Seinen gerade Wege zum kritischen Humanismus.


  1. [248] 110) Bernhard Adelmann an Pirckheimer, Augsburg 1516 aug. 7 [Heumann, Documenta literaria (1758), S. 145]: Nauclerus, ut scribis, multa coacervavit, ac ea quae in primis ab eo exspectabantur, penitus omisit, forsitan, quia nullos habuit, ex quibus ea in suam historiam transportaret. Vgl. Wegele, Historiographie 661.
  2. [248] 111) Chronik II, 283, 299b.