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Sein geistiger Horizont ist im wesentlichen der Felix Fabris. Wie bei diesem darf man zweifeln, ob er überhaupt zum Humanismus gehört. Er hat alte Inschriften und auch den „Herkules in der Reichenau“ gesehen, aber eine hohe Schule an einem Ort ist ihm nicht wichtiger als ein Findelhaus, von der Gelegenheit, hier eine humanistische Ruhmesschau zu halten, hat er nirgendwo Gebrauch gemacht.

Um die humanistischen Forschungen hat er sich auch nicht viel gekümmert. Bei ihm hat noch Cäsar die Schwaben besiegt, wenn auch „mer mit gab und freintschaft, denn mit dem swert“, wie in der Kaiserchronik. Er hat wohl gehört, daß man Wien Flaviana nannte und Ofen mit einem alten Sicambria gleichsetzte, aber das sind nicht mehr als vereinzelte Notizen. Dagegen weiß er von König Etzels Grab und der „schönen Kreimhilt“, seiner Gemahlin, und dem großen Morden zu erzählen, aus dem nur „praut und prautgam, Diethreich von Pern und der alt Hiltprant“ übrig bleiben.

Sein Geschmack an humanistischer Poesie mag höchstens bis zu Sebastian Brant gereicht haben, von dem er ein Gedicht über die Bäder von Baden aufgenommen hat. Aber wohler ist ihm offenbar bei dem „edlen Moringer“, bei Neithart, der mit den „pös fraidig paurn vil wunders getrieben hat“, dem „abenteurist“ Pfaffen vom Kahlenberg und dem „guten Dichter, dem Teichner“, dessen Grab er erwähnt. Seine eigenen dichterischen Erzeugnisse sind deutsche Reime, in denen er im schlimmsten Bänkelsängerton die Fürsten seiner Stammbäume besungen hat.

Es ist immerhin merkwürdig, daß ein so altfränkischer Mann doch seine Stellung in dem Celtiskreise behauptet hat. Vadian weiß ihn als „geographus diligentissimus et dignissimus fide“ zu rühmen.[1] Auch für Celtis wäre hier ein Material zu holen gewesen, das ihm sonst nicht leicht zu Gebote stand, aber ihm hatte sich indes bald eine glänzendere Aussicht eröffnet, seine Germania zu füllen. Das war 1505, als er bei Konrad Peutinger neben den Inschriftensammlungen den liber Augustalis, das Kaiserbuch, im Werden sah, der nun in anderer Form als Suntheims Genealogie das historische Material enthielt, das ihm fehlte. Er war sogleich entschlossen, ihn der Germania beizugeben; auch eine Beschreibung von Rhein und Donau mit ihren Nebenflüssen, die Peutinger wohl als geographische Orientierung über die Fundstätten seiner Altertümer verfaßt hatte.[2]

Aber auch dies blieb Projekt. Nicht einmal die Schreiben, welche über den neuen Plan Auskunft geben sollten und die schon vor das


  1. [273] 40) Kommentar zum Pomponius Mela (1522) S. 177 beruft sich auf Suntheims Rhetiae descriptio, quam sua lingua, hoc est Germana, edidit.
  2. [273] 41) Nach dem Briefwechsel Peutinger-Celtis in clm. 4028. Ich werde ihn den Beilagen des 2. Bandes beigeben.