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lebhaft mit dem Ptolemäus beschäftigt, über ihn ebenso wie über den Tacitus Vorlesungen gehalten[1] – und es ist ein eigener Zufall, daß das erste Werkchen, in dem wir nach Celtis Tode den Gedanken der Germania illustrata wiederfinden, von solchen geographischen Anknüpfungen ausgeht, allerdings nicht an den umfänglichen Ptolemäus, sondern an das Kompendium des Pomponius Mela. Es ist die Brevis Germaniae descriptio tum a rebus gestis moribusque populorum tum a locorum situ, die Johann Cochläus 1512 mit einer Neuausgabe des Mela erscheinen ließ.[2]

Das Büchlein steht ganz unter der Einwirkung Pirckheimers. Es ist für den neuen humanistischen Schulbetrieb in Nürnberg bestimmt, der 1511 vor allem durch Pirckheimers Einwirkung zustande gekommen war.[3] Pirckheimer erscheint in einer versteckten, aber durch ein Nachwort des Chelidonius auch dem Uneingeweihten deutlich gemachten Lobrede als der eigentliche Patron dieser Studien.[4] Auch die Beziehung zur Germania illustrata ist hervorgehoben: Cochläus beklagt sich, daß er dies Werk des Celtis nicht habe erreichen können, es hätte ihm, sagt er, viel Mühe gespart.

Seine eigene Absicht geht, auch abgesehen davon, daß er ein Schulbuch schreiben will, allerdings nicht so hoch. Wer nach dem Titel eine gleichmäßige Berücksichtigung des geschichtlichen und des geographischen Elements erwartet, wird enttäuscht. Die zwei einzigen Kapitel, die sich mit den Taten der Deutschen beschäftigen, brechen bei Karl dem Großen ab und sind zudem teilweise Entlehnung aus Murrho-Wimpfelings Epitome rerum Germanicarum. Was Cochläus bietet, ist nur etwa ein „erneuertes Deutschland“, wie es schon bei der Schedelschen Chronik beabsichtigt war. Aber dieses ist gut geraten. Der Gedanke des Enea Silvio, daß Nürnberg ein Mittelpunkt Deutschlands, oder, wie es Regiomontan und Celtis gesteigert hatten, ein Mittelpunkt Europas sei, wird hier für die einheitliche Beziehung des geographischen Bildes mit einer bisher nirgendwo erreichten Klarheit durchgeführt, auch die ganze Art, wie Cochläus Land und Leute betrachtet, steht ersichtlich unter Eneas Einfluß. In der Schilderung Nürnbergs hat er Celtis benutzt, aber doch ein paar wertvolle Bemerkungen über Dürer, Peter Hehle, Peter Vischer, Erhard Etzlaub angefügt. Daß er selbständig zu sehen versteht, zeigen nicht nur die Bemerkungen über süd- und westdeutsche Städte, die er von seinen Studienfahrten kannte, sondern noch mehr die kurzen Landschafts- und Stammescharakteristiken der Schweiz, der Oberpfalz, Westfalens, der Niederlande u. a.[5] Für das Engadin mögen ihm Pirckheimers


  1. [273] 45) S. den Brief von 1498 an Johannes Schlechta bei Klüpfel II, 153, dazu Epigrammata V, 11 und Bauch, Humanismus in Wien 91.
  2. [273] 46) S. K. Otto, Johannes Cochläus der Humanist S. 39. Zur Würdigung Günther i. d. Mitt. d. Ges. f. Erzieh. u. Schulg. VII, 11–21.
  3. [273] 47) Bauch i. d. MVGNürnbergs XIV, 42 ff.
  4. [273] 48) Chelidonius an Cochläus: Hic dum quorundam commemoras industriam, palpatoria nomen, ut ais, fugiens, nostri Bilibaldi Pirchameri studia quidem exprimis, sed nomen doctis omnibus clarum et observandum supprimis. Cuius mihi tota stirps fronduisse nil aliud quam litteras videtur, seu parentem ipsius, sive germanas, sive (quod alias perrarum est) filias impuberes respicias, musicen et latinitatem ultro, non secus ac ad easdem natae essent, arripientes.
  5. [273] 49) cap. 5: Helvetii sunt, qui nunc vulgo Suitenses dicuntur: Sabaudiae Burgundiaeque contermini Alpium incolae, prodiga quidem gens animae omniumque pugnacissima. Brevi utuntur armatura, pectore tantum verticeque ac interiore parte lacertorum contecti, pedites egregii, equites pauci, bello indomiti, finitimis timendi, peregrinis humani, religione pii, libertate incliti. – cap. 6: In parte orientali proxime Norimbergam sunt Montani. Hinc Bohemi, Moravi, [274] Slesitae, Pannonesque superiores. Montani terram incolut sterilem, silvestrem ac lapidosam. Misera sane gens, si Norimbergam vicinitate tam propinquam non haberet, ex qua et vina et reliqua vitae necessaria sibi conquirunt rusticasque suas opes ferrumque parata illic pecunia commutant. – cap. 8: Westfalia est regio magna, multis urbibus exornata, terra frigida, Visurgi, Amasi et Sala fluminibus irrigata et proinde pecorum pascuis quam arvis laetior, vini expers, nisi aliunde importetur. Populus robustus laborumque tolerantissimus, cui cerevisia potus caseusque ac niger panis cibus, caro quoque tum bovina tum suilla et quidem plurima, sed plerumque fumigata. – Versus Rhenum in continente est Brabantia amoenissima simul et potentissima Germaniae provincia, contigua ad occasum quidem Flandriae, ad austrum Galliae, ad ortum Gelriae, ad aquilonem vero Holandiae. Terra sterilis agri, vitibus carens, gens industria opificiisque excellens, mercatores sane ditissimi, artifices ingeniosi, pictores egregii, fabri et ferrarii et argentarii praestantes, textores insignes, mulieres et forma et arte in Germanas primariae.