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haben, denn er lobt schwerlich ohne Grund die Männer, die auch durch Wanderschaft ihren Geist erweitert haben.[1] Ob er Italien gesehen hat, ist fraglich[2], in Deutschland ist er über die südwestliche Ecke kaum herausgekommen. Hier aber hat er nach allen Seiten literarische Beziehungen angeknüpft, insbesondere kennt er auch den Straßburger und Schlettstädter Kreis[3], es ist höchst wahrscheinlich, daß er von den Ansichten des Rhenanus allerlei im Gespräch gehört hat.[4]

Damals aber muß er auch den Nürnberger Geographen näher getreten sein, die später in seinem Werke eine sehr wichtige Rolle spielen und damals wird er wohl auch zu Pirckheimer Zutritt erlangt, ihm vielleicht schon den Plan der Germaniae exegesis entwickelt haben.[5]

1516 ist er in Tübingen, er findet von den alten Freunden – zumeist in der Gesellschaft der Neckargenossen – Melanchthon als Korrektor der Anshelmschen Druckerei; Anshelm selbst ist ihm aus Pforzheim bekannt, er ist gerade über dem Druck der Chronik des Nauklerus, zu der Reuchlin das Vorwort schreibt. Damals wird es gewesen sein, daß Melanchthon den Einundzwanzigjährigen, der schon zwei Werke, eine Geschichte der heiligen Ottilia und eine der Markgrafen von Baden[6], hinter sich gebracht hatte, vor dem neuen gigantischen Plane warnte.[7] Aber Irenikus schlug das in den Wind; er ist wahrscheinlich mit Anshelm nach Hagenau gezogen, wo der unternehmende Buchdrucker seine Korrektoren und Freunde zu einer Academia Anshelmiana nach dem Muster der Aldina in Venedig vereinigte. Ein Besuch Reuchlins[8] spornt Irenikus zur Vollendung seines Werkes an und im Herbst 1517 – Irenikus hatte inzwischen in Heidelberg den Magistergrad und die Vorstandschaft der Katharinenburse erlangt – liegt ein Inhaltsverzeichnis der Germaniae exegesis Pirckheimer vor.

Es sind acht Bücher „von tüchtigem Umfang“, wie der literarische Neuigkeitskrämer Christoph Scheurl sogleich nach verschiedenen Seiten berichtet.[9] Das erste umfaßt eine allgemeine Geographie Deutschlands in 47 Kapiteln, das zweite eine germanische Altertumskunde in 38, das dritte die deutschen Kriege von Anfang an bis auf Maximilian in 67 Kapiteln; 20 Kapitel des vierten Buches beschäftigen sich mit der Fruchtbarkeit des deutschen Bodens, 28 des fünften mit der Bewässerung[10], die drei letzten Bücher enthalten eine Art von geographisch-historischem Lexikon, in dem Städte, Klöster, Landschaften und Herrschaftsgebiete mit historischen Notizen zusammengestellt


  1. [274] 52) Exegesis III, 116: [über Johann Degenhard und Bernhard v. Pfeffingen] quos nostra saecula viderunt longa peregrinatione ac experientia rerum multarum celebres auratorum equitum titulos desumpsisse. So öfter z. B. III, 117 über die Nürnberger.
  2. [274] 53) II, 29: (Über die Badesitten der Deutschen und Italiener) Illa consuetudo etiam nostra tempestate in balneis ubique observatur, Italorum vero mulieres e via vix sine comite egrediuntur. Doch kann hier leicht eine Mitteilung, etwa Pirckheimers, Quelle sein.
  3. [274] 54) II, 43: Ad Argentinensium numerum me conferam, ubi Ruserus ille Joannitarum ordinis vir exercitatissimus meretur, quem ante multos annos disciplinis optimis penitus deditum assidua nostra conversatione vidimus, tum multo artificio athletis summis respondentem, nunc vero empiricos quosque vincentem. – Gleich darauf eine Charakteristik Jakob Sturms, sicher aus persönlicher Bekanntschaft. Diese und die weiter aufgezählten nennt Wimpfeling 1514 an Erasmus alle als Mitglieder der Straßburger Literarischen Gesellschaft, s. Knepper, Wimpfeling 2885 und 308, für Ruser, der später in Schlettstadt ist, auch Briefwechsel des Rhenanus 61 und 620.
  4. [274] 55) Ich sehe in III, 53: [Nuper autem antiquitatis perscrutator diligentissimus [275] palatium Rheni intellexisse Marcellinum voluit, quia ultra Rhenum tunc temporis omnia erant Romanorum et citra Burgundiis ascribebantur. Facile assentior, nisi quod temporis ratio me dubium agit. Marcellinus temporibus Valentiniani et Iuliani vixit, quorum temporibus bene huius loci vestigium fuisse persuasum habeo. Videat alius, an hunc aut alium locum voluerit Marcellinus his verbis significare] eine deutliche Anspielung auf die Ansichten, die Rhenanus Res. Germ. 52 und 123 ausspricht. Dann aber konnte Irenikus davon 1517 oder noch früher nur aus persönlicher Mitteilung des Rhenanus Kenntnis haben und die Bemerkung, die er II, 40 über Rhenanus macht [eum aiunt maximum quoddam moliri], gewinnt einen tieferen Sinn.
  5. [275] 56) Für die persönlichen Beziehungen s. Exegesis I, 31 (Nachrichten von Kaufleuten relatu Bilibaldi Pyrckaimeri), II, 20: Vidi ipse vascula maximo auro nobiliora Nurembergae penes Bilibaldum Pyrkaimerum patricium, Caesareae maiestatis consiliarium . . . Interessant ist, daß er auch die ungedruckte Pirckheimersche Übersetzung des Horapollon (s. dazu Giehlow in d. Mitteil. d. Gesellschaft f. vervielfältigende Kunst 1903, S. 70) kennt, denn darauf bezieht sich II, 40: tantum etiam laboris in Gly. illo de literis aegyptiacis consumpsit. Erwähnt wird diese Übersetzung allerdings schon in der Dedikation Johann Werners an Pirckheimer, mit der er seine Ptolemäusausgabe von 1514 begleitete.
  6. [275] 57) II, 109 erwähnt er zwei Bücher über Markgraf Philipp von Baden, die er vollendet hat und nächstens veröffentlichen will. XI s. v. Alsatia nennt er die Odilia. Von beiden ist nichts bekannt geworden.
  7. [275] 58) Melanchthon an Althamer (s. o. Abschn. V Anm. 191): Nam et Franciscum Irenicum saepe poenituit non audisse meo consilio. Die Warnung kann allerdings auch noch 1518 während des Druckes der Exegesis in Hagenau erfolgt sein (s. u.). Über den Tübinger Aufenthalt des Melanchthon und die Neckargenossen sind wir leider ganz dürftig unterrichtet, s. Ellinger, Melanchthon 62 ff.
  8. [275] 59) Exegesis II, 39: Dulcissima tua conversatio, qua mecum Hagenoae usus eras.
  9. [275] 60) Chr. Scheurls Briefbuch edd. Soden und Knaake II, 21. An Erasmus Stella 1517 sept. 27, ebenso an Trutvetter und an Spalatin am 30. Daselbst im wesentlichen gleichlautend die Inhaltsangabe der uns nicht erhaltenen ersten Bearbeitung der Exegesis.
  10. [275] 61) Der Druckfehler in den Scheurlbriefen humilitate für humiditate ist zu verbessern.