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Teil auf vier Bücher ausgedehnt erscheint. Trotzdem ist die Kapitelzahl der einzelnen Bücher nicht vermindert, meist vermehrt. Wenn Pirckheimer in der Tat die Druckbogen des neuen Werkes erhielt, so muß er es wohl gebilligt haben; denn Irenikus konnte dem Buch einen Brief des berühmten Mannes vorsetzen, der ihn als den ersten pries, der geleistet habe, was viele wollten, wenige konnten.[1] Thomas Anshelm aber hat mit einem praesente castigatoreque auctore ipso im Druckvermerk doch wohl die Verantwortung für das Buch dem Autor zuschieben wollen.[2]

Irenikus hat sein Buch nicht Germania illustrata, sondern Germaniae exegesis genannt, das heißt, wie er uns selbst erklärt[3], commentarii, Erläuterungen zu dem Quellenmaterial, das er zusammengetragen hat. Es bezieht sich also auf den Stil[4], Irenikus will ähnlich wie später Beatus Rhenanus und Wolfgang Lazius keine fortlaufende Erzählung, sondern nur eine Quellendiskussion liefern. Dagegen erscheint im Grundriß und Aufriß des Werks durchaus die Germania illustrata des Celtis, nicht einmal der Abschnitt über die Gestirne fehlt, ja man wird nach dem ganzen Plane sagen müssen, daß wir, wenn irgendwo, so hier Gelegenheit erhalten werden zu sehen, wie sich die beiden Hauptideen des Celtisschen Germaniaentwurfs, die kulturgeographische Grundlage und die genealogische Geschichtsverknüpfung, auswirken. Daß Irenikus selbst den Vergleich kaum scheute, wird man aus dem Abdruck der Norimberga des Celtis hinter seinem Buche schließen dürfen.[5]

Der erste Eindruck des Buches ist verwirrend. Man möchte sagen, es ist, wie ein Schlachtengemälde Altdorfers oder Feselens, vollgestopft mit Figuren. Eine unendliche Schar von Zeugnissen stürmt auf uns ein. Da sind zunächst die Lateiner von Sallust und Livius bis zu Ammian und den Panegyrikern, dann aber fast ebenso zahlreich die Griechen. Man merkt, daß es neuerworbene Weisheit ist, die hier aus Prokop, Agathias, Dio Cassius, Plutarch, Lukian, Herodian, Athenaios, Suidas, Stephan von Byzanz, den Fortsetzern des Eusebius und vielen anderen breit und selbstgefällig vorgebracht wird. Dann die Autoren des Mittelalters; natürlich alles Gedruckte mit ausgiebigster Benutzung von Jordanes, Paulus Diaconus, dem Abt von Ursperg und Otto von Freising, aber auch Seltenheiten, wie die Vita Severini des Eugippius, der nach Trithemius fast wieder verschollene Frechulf, Wahlafrieds Leben Othmars, der noch ungedruckte Widukind, Annalen und Chroniken aller Art, darunter die Königshofens, non multum hactenus visa.[6] Noch erstaunlicher fast ist der Umfang der benutzten humanistischen


  1. [276] 67a) In der Stelle: et quod non sine stomacho vel risu potius recensendum est, non defuere temporibus nostris scriptores, et germani quidem, qui etiam a Nili ortu suam derivavere historiam. Verum cum ad Germanorum res gestas et nostra perventum est tempora, vel dissimulantes praeteriere vel quae maxime enarrare oportebat, penitus intaeta reliquere . . . Quid enim facerent? Cum unde suffurari posset, minime haberent ... klingt das Urteil über Nauklerus (s. o. IV119) deutlich wieder.
  2. [276] 68) S. Hase l. c. 96.
  3. [276] 69) Oratio protreptica (ungezähltes) Bl 238b.
  4. [276] 70) Interessant dazu Exegesis III, 22: Plura nobis obvia essent afferenda, quae αὐτοσχεδιαζόμενα indulgenter, non accersita, sese nostrae memoriae ingerunt, quae sine magno etiam scribendi labore sua sponte nobis affluerent ac dicenda essent, nisi operis nostri necessitas omnem eorum mentionem excluderet.
  5. [276] 71) Man kann aus den Celtiszitaten fast das gesamte bei diesem stehende historische Material zusammenlesen. Ob er auch Ungedrucktes gekannt hat? S. Klüpfel, Celtis I, 76. Sein Urteil über Celtis in der Quellenschau De Germanis scriptoribus I, 2: Hi Germaniae professores, tantus numerus, ut periculum sit, duos e multis, Cornelium Tacitum et Ligurinum invenire, Celtem et Peutingerum Cunrados reperire ist zugleich charakteristisch für seinen Stil.
  6. [276] 72) Die Vita Severini III, 14, mit der epistola Eugippii ad Paschasium für die Rugierkönige zitiert [vgl. IX, 6]. Ich finde sie sonst nur bei Cuspinian und Aventin. Zu Königshofen III, 35 [Jacobus Kinghoffensis chronographus] und II, 49 [Argentinensium probata chronica, non multum hactenus visa], doch war Königshofen längst gedruckt. Ich notiere ferner: Lorscher Annalen (III, 35), Nürnberger Annalen [277] (III, 58), Annalen von Klingenmünster (XI s. v.), von Eßlingen (ebenso), der Markgrafen von Baden (ebenso s. v. Eppingen).