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auch von Gresemunds Arbeiten auf diesem Gebiet hatte er Kunde, und da war es kein kleines Lob für Irenikus, wenn ihm zugesprochen wurde, als einziger mit einigem Ruhm in den Spuren des Celtis gewandelt zu sein. Aber dahinter kamen sonderbare Dinge. Da waren mit seltsamer Feierlichkeit die Bestrebungen des Irenikus gepriesen, Deutschland älter zu machen als Griechenland, Italien „und ganz Europa“ und seine Wiedererweckung des allerheiligsten Vaters Tuiscon und seiner Sippe, die diese Helden sicher auf den Inseln der Seligen erfreuen würde, wenn dorthin das Gerücht von dem Buche des Irenikus käme; und wenn Irenikus in seiner pathetischen Einleitung zum 6. Buch geklagt hatte, daß den Griechen ein Homer, den Deutschen aber bisher nicht einmal ein Chörilus zuteil geworden sei, so konnte er jetzt bei Mutian lesen, daß er der Homer sei, der den Chörilus-Celtis verdränge. Daneben aber war ganz unschuldig gefragt, wer denn der Martin Luder sei, den Irenikus in seiner Theologenschar zwischen Staupitz und Lang aufmarschieren lasse, da doch Luther schon vorher als Führer der Schar an die Spitze gestellt sei. Auch wie Spalatin unter die Theologen komme, konnte Mutian nicht recht begreifen. – Wir sehen die Meinung. Der alte Spötter hatte ein Brieflein schreiben wollen, wie das des Crotus Rubeanus über die Constantinsvita Reuchlins gewesen war, das er selbst einmal mit behaglicher Freude seinem Heinrich Urban mitgeteilt hatte[1], und dabei noch recht kunstvoll den „unerschrockenen, tapferen und wahrhaft deutschen, das heißt großartigen Stil“ des Irenikus parodiert.

Ernsthafter nahmen Beatus Rhenanus und Aventin das Werk und – sie sind einig darin, es zu verwerfen; Rhenanus in seiner Art mit ruhiger Ablehnung, Aventin mit stärkerem Temperament, später noch mit der Beschuldigung, daß Irenikus sich die Arbeiten des Trithemius und Stabius angeeignet habe.[2] Das wird nur in dem Sinne richtig sein, daß Irenikus hier wie anderswo zusammenraffte, was er fand, Trithemius wenigstens hat er oft genug zitiert. Das Wesentliche traf Rhenanus, wenn er in dem Werke Stil und Urteil vermißte. Von Stil konnte bei einer Arbeit ja nicht viel die Rede sein, die fast durchaus aus Zitaten bestand, aber die wenigen Stellen, wo Irenikus selbst spricht, lassen dies kaum bedauern. Er ist ein schwülstiger Rhetor, der sich durch gesuchte Häufungen und gezierte Wendungen um alle Wirkung bringt. Auch die Einwände, die Thomas Anshelm in diesem Punkte erhoben hatte, waren nur zu begründet. Die „Gräcien“ hatten schon auf Mutian den Eindruck entlehnter Federn gemacht, die Liederlichkeit der Komposition aber


  1. [282] 113) l. c. I, 415 vom Okt. 1513. Dazu Geiger, Reuchlins Bfwechsel 1911.
  2. [282] 114) Bfwechsel des Beatus Rhenanus 340 Rhenanus an Aventin 1525 oct. 4: Tentavit annis superioribus quidam illustrare Germaniam et volumen edidit, ut scis, magnis laboribus consarcinatum, quo nihil unquam infelicius vidi, propterea quod huiusmodi praesidiis prorsus caruerit, quibus scriptori in primis opus est. Ea sunt stylus et iudicium. Stylum autem adeo non habuit, ut ne grammaticam tenere videatur. Iudicium utque boni consulerem, praesertim in hoc scripti genere et in tanta rerum varietate scriptorumque (e)variatione. – Aventins Antwort darauf ibidem 345: Nihil insulsius, indoctius vidi eo, de quo narras, libro. – Dazu WW. VI, 95 (Vorrede zur Germania illustrata von 1531): Legi quendam, qui Ioannis Stabii ac Ioannis Tritemii antistitis Spanhamensis libros impudentissime compilavit, profecto homuncio est miserrimi ingenii nulliusque penitus iudicii, in facto deprehendi mavult quam fateri, per quos profecerit, taceo soloecismos ac barbarismos aliasque ineptias anilesque fabulas, vicem hominis abutentis dementia principum doleo (vgl. Leidingers Bemerkung zu der Stelle).