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den Aventin in diesem Zusammenhange entwickelte, nicht ohne Grund eine Ähnlichkeit mit der Organisation gefunden, die sich dreihundert Jahre später die Monumenta Germaniae historica gaben.[1] Das Sanctus amor patriae dat animum durften auch diese Männer in ihren Kranz schreiben. –

Merkwürdig ist es, daß ein Büchlein, welches kurz nach der Exegesis erschien, in der Humanistenwelt jahrelang völlig unbeachtet blieb, trotzdem es einen Teil der Forderungen, die man an eine Germania illustrata stellte, erfüllte und trotzdem es an Bedeutung erheblich über den meisten Erzeugnissen auf diesem Gebiete stand. Das sind die Omnium gentium mores, leges et ritus des Ulmer Deutschordenspriesters Johann Böhm aus Aub.[2]

Wir haben den Verfasser als Freund Althamers kennen gelernt, er hat auf den Tacituskommentar desselben erheblichen, vielleicht entscheidenden Einfluß gewonnen. Seine eigene Entwicklung ist unklar, er steht in Beziehungen zu Bebel, vielleicht auch noch zu Nauklerus, zu Pirckheimer, dessen Gelehrtenheim sich auch ihm geöffnet hat, in engeren zu einem Kreise Ulmer Humanisten, deren Haupt der Arzt Wolfgang Richard ist, die aber nur geringen Anschluß an die große humanistische Dichter- und Gelehrtenrepublik, wie sie Celtis organisierte, gefunden zu haben scheinen.

Auch Boemus scheint, obgleich er Celtis kennt[3], den Bestrebungen seiner Schule ferngestanden zu haben. Sein Buch ist hervorgegangen aus dem Bestreben, etwas Ähnliches zu bieten, wie es Enea Silvio in seinen großen geographischen Werken geboten hatte, eine Schilderung des Charakters der einzelnen Völker, wie er sie kennt oder aus den neuen Reisebeschreibungen sich vorstellen kann, entgegengesetzt und verglichen mit dem Bilde der Alten.

Auf Deutschland ist in dem Buche nur ein geringer Raum entfallen, nur 5 Kapitel des dritten Teils, aber sie enthalten in knapper Form eine außerordentliche Menge Interessantes und Wissenswertes. Was wir aus ihm für die Völkerkunde im engeren Sinn, für Sitten und Bräuche der Zeit entnehmen können, ist jüngst kundig erläutert worden. Aber auch in der Geschichte der humanistischen Historiographie verlangt Boemus seinen Platz. Viel verdankt er Nauklerus. Seine Schilderung des Taciteischen Deutschlands lehnt sich an ihn an, aber sie ist geschlossener und zusammenhängender, vielleicht das Beste, was damals im Druck vorlag. Die Charakterisierung der Stände Schwabens bei Nauklerus hat Boemus übernommen und auf Deutschland übertragen, aber zugleich durch Hereinziehung des vierten Standes,


  1. [282] 116) Horawitz im Briefwechsel des Beatus Rhenanus 34610.
  2. [282] 117) Darüber handelt im Zusammenhang der volkskundlichen Bestrebungen erschöpfend und gut Ernst Schmidt, Dte. Volkskunde im Zeitalter des Humanismus u. d. Reformation 60 ff.
  3. [282] 118) Er beginnt seine Schilderung Deutschlands III, 12 mit dem Abdruck der Verse aus der Germania illustrata von 1502: Gens invicta manet, nennt aber Celtis nicht, s. Schmidt l. c. 6315.