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seine Beschreibung Deutschlands. Sie nennt die alten und neuen Grenzen, die alten und neuen Völker Deutschlands, zählt die Kriege der Römer mit den Germanen auf, gibt die Gründungsjahre der meisten größeren Herrschaften an und erzählt ausführlich von der Übertragung des Reichs auf die Deutschen, nicht ohne die alte Frage nach dem Deutschtum Karls des Großen zu berühren, die dem in Nieder-Ingelheim geborenen Verfasser besonders nahe lag.

Tiefe Studien lagen all dem nicht zugrunde. Die Aufzählung der Römerkriege war nur eine Zusammenziehung aus dem fünften Buch der Exegesis des Irenikus, die meisten Daten genealogischer Art stammten ebendaher, die Vorgeschichte der Franken ruhte ganz auf Trithemius. Aber aus dem ganzen blickt ein gesunder Sinn, und wie Münster bei seiner Beschreibung von Rhein und Donau charakteristischer zu sehen verstand als Pirckheimer und Althamer, so verstand er auch aus dem antiquarischen Wust seiner Gewährsmänner Wichtiges gebührend herauszuheben. Die alte Frage der Rheingrenze tut er mit den Worten des Boemus ab, daß eben in alten Zeiten Flüsse und Berge Grenzen gebildet hätten, jetzt aber die Sprache die Menschen scheide. Wie und wann die einzelnen deutschen Territorien sich aus den Stämmen der germanischen Urzeit gebildet hatten, vermißt er sich nicht zu entscheiden, aber der jetzige Zustand erscheint ihm als Zersplitterung, der alte trotz der Menge der Stämmenamen als Einheit, so daß der Adler des Reichs jetzt seiner Federn immer mehr beraubt wird.

Wie das gekommen ist und manches andere, was die Descriptio nur angedeutet hat, verspricht Münster in einem vernaculus liber ausführlich zu behandeln, den er unter der Feder hat.[1] Es ist nichts anderes als seine berühmte, 1544 zuerst deutsch und lateinisch erschienene Kosmographie.[2]

Das ganze dritte Buch dieses Werkes, an Umfang mehr als die Hälfte des Ganzen, ist Deutschland gewidmet, und der Inhalt dieser „Beschreibung Teutscher Nation“ ist fast durchaus Geschichte. Münsters Programm ist fast wörtlich das gleiche, was Nauklerus seinem Abschnitte über Deutschland vorgesetzt hatte: „Demnach werd ich,“ sagt er, „von unserm teutschen land viel zuschreiben han, nemlich von seinem namen, von seyner gelegenheit, von seinen lendern, stetten und wonungen, von seiner fruchtbarkeit, von seinen völckern, von der alten teutschen sitten, von iren thaten, von ihrer wirdigkeit und von dem regiment, das vor dem keyserthum darin ist gewesen.“

Er hat das nicht ganz eingehalten, vielmehr zerfällt seine Beschreibung


  1. [283] 130) Aventin hat über dies Büchlein sehr günstig geurteilt, denn das ist der Index, von dem er in dem oben (Anm. 120) zitierten Briefe an Rhenanus spricht.
  2. [283] 131) Bibliographie bei Hantzsch 153. Ich zitiere nach der ersten deutschen Ausgabe.