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in einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Der erste bringt im wesentlichen eine Ausführung des Textes der Descriptio Germaniae, der zweite eine Landschafts- und Städtekunde von Deutschland. In dieser haben die Genealogien, die Schlachten und auch allerlei wunderliche Geschichten, wie von dem Donnerkeil von Ensisheim, den Sebastian Brant besungen hatte, oder von den zusammengewachsenen Kindern, die Münster 1501 zu Mainz gesehen hatte, ihre Stelle gefunden. Daneben ist in den Erörterungen über den Ursprung der einzelnen Orte, zumal über ihre Gleichsetzung mit Namen der Ptolemäuskarten, allerlei humanistisches Wissen eingestreut – Münster hatte selbst 1540 den Ptolemäus neu herausgegeben –, aber im wesentlichen haben wir hier das Geschichtsmaterial und die Notizenform der alten Chroniken. Wirkliche Geschichte ist nicht gegeben, schon die sprunghafte Behandlung großer Zeiträume verhindert das, auch die Beschreibung der Schweiz, die mit viel größerer Ausführlichkeit geboten wird, ist größtenteils annalistisch.[1]

Ganz anders wirkt der erste Teil. Hier sind die leitenden Gedanken der Descriptio weiter ausgeführt, und was zugesetzt ist, stimmt meist trefflich zum Ganzen. Am Anfang steht eine Vorgeschichte der „Gothen, Wandelen und Hunnen“, „darumb daß vor zeiten die hoch Teutschen gar vil mit inen zuschaffen hand gehabt und auch großlich von ihnen beschedigt worden“ – wir dürfen wohl hinzusetzen, weil die Kosmographie Gustav Wasa, dem König der Schweden, Gothen und Wenden gewidmet ist. Es folgt ein Abschnitt: „Wie das Teutsch land von alten zeiten her genempt ist worden.“ Also eine Erörterung über das Verhältnis der Namen Teutonia, Germania, Alemannia usw., das schon Felix Fabri bewegte. Was Münster dann über „Örter und Gelegenheit, alte und neue Völker, fließende Wasser“ Deutschlands und über die Römerkämpfe sagt, ist Ausführung von Abschnitten der Descriptio Germaniae, aber vieles ist klarer vorgestellt und neu erörtert. Münster fragt, warum so viele wichtige Städte der ältesten Zeit linksrheinisch und südlich der Donau lägen, und er erkennt sie als Sturmpunkte der Römer gegen das freie Deutschland, das er mit der Klarheit des Rhenanus von dem römischen scheidet, und er fügt gleich hier eine knappe, aber gute Übersicht der germanischen Wanderungen an. Auch die Schilderung der Römerkämpfe hat durch eine Aufzählung der römischen Verwaltungsorganisation in den Grenzprovinzen gewonnen. Im folgenden ist neu ein Abschnitt „Wie die Teutschen ein leben gefürt hand vor vnd


  1. [284] 132) Darauf bezieht sich das auch für die Entstehungsgeschichte der Kosmographie wichtige Urteil Johannes Herwagens an Beatus Rhenanus vom 12. November 1540 (Bfwechsel des Rhenanus 470): Utinam detur olim illam urbium descriptionem ita videre magnificam, ut tu nunc depingis. Munsterus fecit, quominus hactenus curarem, qui videbatur in sua Germania, quam adornabat, non aliud quaerere quam civitatum prima fundamenta.