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ettlich jar nach Christ geburt“, und einer „Von fruchtbarkeit deß alten teutschen ertrichs“, jener auf Tacitus ruhend, dieser die Meinung des Tacitus von der terra horrida et foeda mit der Ansicht des Nauklerus: cessat saepius bona materia sine artifice widerlegend. Seine Erörterungen „Von alter und neuerer theilung teutscher Nation“ zeigen dann deutlicher als die Descriptio, daß er den Ursprung der ersten Königreiche – als solche denkt er sich Baiern, Sachsen, Thüringen und Schwaben – in Verbindung mit dem Zusammenbruch der römischen Macht bringt, die vielen kleinen Fürstentümer aber von der Translatio imperii unter Karl dem Großen ableitet, denn er meint, die Deutschen hätten ihr neugewonnenes Kaisertum nicht höher ehren zu können geglaubt, als indem sie es in einen Kranz kleinerer Würden stellten.[1]

Münster weiß nun aber auch zu zeigen, „wie der Römisch adler berupffet ist,“[2] und er gibt dabei nicht nur die üblichen Klagen über Karl IV. und Wenzel, sondern auch eine sehr klare Darstellung davon, wie die Herzoge, Grafen und andere Herren „nur namen der empter gewesen und nit erblich herrlichkeiten“. Er weiß auch, daß die „stett und flecken seind der keyseren vnd des reichs gewesen“, und daß „die zöll, ongelt, gefell in den selbigen seind ingezogen worden durch des keysers amptleut vnd dem keyser oder künig zugestellt“. Auch von dem allmählichen Aufblühen der Reichsstädte und dem zunehmenden Wettbewerb der Fürstenstädte spricht Münster, und der in der Luft des schweizerischen Basel heimisch Gewordene sagt von den Städten der Eidgenossenschaft: sie „herschen für sich selbs, thun aber doch, was sie dem reych schuldig seynd“.[3]

Diese Erörterung finden wir nun aber nicht, wie wir erwarten sollten, in einer deutschen Kaisergeschichte, sondern erst, nachdem uns die Kaiserreihe von Karl dem Großen bis zu Karl V. in einem kurzen Abriß vorgeführt worden ist. Dieser Abriß ist der unbedeutendste Teil der ganzen Kosmographie, bis zu Friedrich II. fast nichts als eine Nomenklatur mit nicht immer richtigen Daten, von da aber eine Sammlung annalistischer Notizen mit schweizerischer Lokalfarbe, bei der höchstens die sorgfältig gewahrte Unparteilichkeit in religiösen Dingen auffällt.

Das letztere würde mit Münsters auch sonst geäußerten Ansichten stimmen[4], aber der Ton ist von dem übrigen Werke völlig verschieden, und es trifft sich, daß wir durch ein briefliches Zeugnis diesen Abschnitt als Erzeugnis einer anderen Feder nachweisen können. Der Basler Rechtsgelehrte Nikolaus Brieffer, ein Freund des Beatus Rhenanus,


  1. [284] 133) Cosmographie F. 162 ff.
  2. [284] 134) Dazu ist die Erörterung bei Italien F. 123 zu vergleichen.
  3. [284] 135) F. 193 vgl. 188: Wie die Reichstett vnd die Reichstäler gefreiet worden.
  4. [284] 136) Ein paar interessante Sätze aus der Vorrede: Es ist nit müglich, das ein mensch jetzunt mög beschauwen dz gantz ertrich, dann dz leben ist zu kurtz, so seind der geferlichkeiten auff der erden zu vil deß mißhelligen glaubens halb, das niemand also sicher das ertrich durch wandlen mag als vor zeiten, do vnder eim regiment vil lender vnd künigreich waren bezwungen vnd deßhalben on besundern mühe alle ding von dem menschen haben mögen gesehen werden. . . . Weyter solt du, früntlicher leser, wissen, dz mein erst fürnemen ist gewesen teutsch nation, so vil mir müglich, herfür zubringen in seinen landschafften vnd steten, in was gestalt sie angefangen vnd auffgangen, wz die natur darin sunderlich bracht oder menschlich kunst erfunden, was merckliche[s] sich verlauffen vnd geschehen, doch auff all weg mich geflissen zuschreiben die eerlichen thaten, außgenommen die widerwertige[n] spänn, die sich zwischen den stetten oder fürsten erhebt, die zum offtern mal nit mögen beschriben werden, wil man anderst der warheit nachgon, wie das alle hystorien erfordern, on verletzung einer partheyen, aber in solchen gantz onpartheyisch mich gehalten, auff keine seiten meine affect lassen lauffen, sunder der thath stracks nach gangen, die beschriben, wie sie sich verlauffen vnd wie sie von den historien schreibern verzeichnet worden, ja zum offtern mal auß gelan, was hessig vnd ongeschaffen darin gefunden. Gott weißt es, das mein fürnemen nie gewesen jemands verächlichen an zutasten sunder vil lieber wolt bey menglichen danck dann vndanck oder fyendschafft in meinem schreiben erlangen. In summa was ich von einer jeden statt oder herrschafft hab gefunden, das hab ich mit kurtzen worten angezeichnet, ist es ongeschaffen gewesen, so hab ich es auff das glimpffigst geschriben.