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In der Anlage ist Peutingers Kaiserbuch[1] unstreitig das interessantere Werk. Wir sahen bereits, wie es aus seinen Inschriften-, Münz- und Urkundensammlungen herauswuchs, wie Peutinger sich zunächst das einfache und klare Ziel steckt, die chronikale Überlieferung durch urkundliche Zeugnisse zu bestätigen oder zu korrigieren. Vielleicht hätten wir ein solches Werk von Peutinger, wenn er Gelegenheit erhalten hätte, es 1505 als Bestandteil der Germania illustrata des Celtis erscheinen zu lassen. Wir sahen, daraus ist nichts geworden, und bald drängen sich andere Bestrebungen hinzu.

Peutinger muß, obgleich er nicht am Kaiserhofe lebt, doch durchaus in den Kreis der Hofgeschichtschreibung Maximilians gestellt werden. Kein anderer der bedeutenden Humanisten außerhalb Wiens steht so im Bannkreis der eigentlich Maximilianischen Unternehmungen. Das ist um so merkwürdiger, als Peutinger dem Kaiser viel weniger wesensverwandt war als Celtis und Pirckheimer und auch in seiner Geistesrichtung sich stärker von ihm unterschied. Wie der ganze Augsburger Humanismus, erscheint er klassischer oder mindestens antikischer gewendet als Max. Innerlich zusammengefunden hat er sich mit dem Kaiser wohl nur in der Vorliebe für die Werke der italienischen Astrologie, deren Vermittler er geworden zu sein scheint, und besonders charakteristisch wäre es, wenn wir seine Ablehnung des Teuerdank aus einem tieferen Grunde herleiten könnten.[2] Aber Peutinger hatte viel zu wenig Eigenart, um solche Neigungen und Abneigungen zu wirklicher Persönlichkeit auszubilden, und so erscheint er ganz als das ausführende Organ des Kaisers. Er ist wohl noch mehr als Stabius das historische Orakel Maximilians. Er ist es, den man fragt, wie der Kaiserin Leonore Vater geheißen hat, oder ob der König Zwentibold – Kaiser Arnulfs uneheliches Kind – in die kaiserliche Genealogie zu setzen sei[3], und wenn Maximilian die epigraphischen und numismatischen Forschungen Peutingers tatkräftig förderte, ja vielleicht erst durch ihn ernsthaft für dies Gebiet interessiert wurde, so durfte anderseits Peutinger es auch nicht unter seiner Würde finden, hundert Frauennamen für Seiner Majestät „scharpffe Metzen“, d. h. die neuen Geschütze zu suchen und insbesondere nicht müde werden, all den tausend historischen Kleinigkeiten nachzuspüren, die Maximilians unermüdliche Fragelust ihm hinwarf.

So ist auch sein Kaiserbuch ein buntscheckiges Ding geworden, schwankend zwischen Genealogie, Biographiensammlung und Regestenwerk, und man merkt es den vielen Entwürfen und den zahllosen Korrekturen, die auch in den Reinschriften noch angebracht sind, an,


  1. [291] 39) Über das Kaiserbuch Peutingers hat bis jetzt Zapf in den Merkwürdigkeiten der Zapfischen Bibliothek (1787) I, 14 und in der Epistola ... ad Wicterpum, ord. S. Benedicti ad SS. Udalricum et Afram . . abbatem (1790) am ausführlichsten gehandelt, in der Epistola auch ein Paar Textproben. Eine eingehendere Würdigung steht von E. König in Aussicht, s. dessen Artikel Konrad Peutinger als Historiker i. d. Wissenschaftl. Beilage z. Germania 1909, S. 345 ff. Das Folgende beruht auf dem Codd. 26 und 145 A und B der Augsburger Stadtbibliothek. Davon ist cod. 26 eine als Reinschrift gedachte Pergamenthandschrift, enthaltend die Kaiser von Caesar bis Basilius und von Karl d. Gr. bis Lothar II. Doch ist der Text wieder stark von Peutinger korrigiert und überdies von Karl d. Gr. an nur Vorlage für das Ms. 145 A derart, daß dies eine Abschrift nach den Korrekturen, Strichen und Zusätzen Peutingers darstellt, aber bis auf Konrad II. fortgeführt ist. Eine zweite Vorlage für 145 A ist dann das Ms. 145 B, das aber den Text weiter bis zu Heinrich VII. führt. Daß eine Kaiserreihe bis Maximilian beabsichtigt war, zeigt außer dem gleich zu erwähnenden Briefwechsel mit Celtis der Brief Hummelbergs an Peutinger 1519 juni 9, in dem er für sein auf Maximilian gedichtetes Epitaph einen Platz in [292] den Augustales erbittet (Lotter-Veith 189 f., vgl. 192, Peutinger hat es dann mit der 2. Ausgabe der Augsburger Inschriften drucken lassen). Auf eine bei Karl IV. zu gebende Erörterung verweist Peutinger selbst unter Otto III. Das älteste Zeugnis für die Arbeit am Kaiserbuch ist der oben zitierte Brief Peutingers an Reuchlin 1503 april 22, wo es heißt: Sum modo in nostris Suevis Caesaribus, in quibus ob incuriam maiorum labore maiore opus est. Nach dem Briefwechsel mit Celtis in clm. 4028 muß dann das Kaiserbuch 1505 druckfertig gewesen sein, aber jedenfalls in anderer Gestalt als das, was wir haben. Andere Zeugnisse sind der Brief an den Kurfürsten von Sachsen 1508 sept. 24 und der an Ellenbog 1509 märz 18 (Herberger l. c. 64116 und Zapf, Sermones 138). Für einen Teil des jetzigen Textes, nämlich den über die römischen Kaiser, läßt sich ein terminus ante quem angeben. Er liegt vor 1511, da er Korrekturen, welche der in diesem Jahr erschienene Brief der Margaretha Welser an den Kaisernamen Letos vornahm, noch nicht hat oder erst nachträgt. (Auch die Stelle S. 44 des Briefes über eine Münze Diocletians quod antea minus bene videram erklärt sich aus f. 63 des cod. 26.) In dem Briefe ist dann auf das „in Arbeit befindliche“ Kaiserbuch verwiesen.
  2. [292] 40) Ich meine die merkwürdige Stelle in dem Briefe Bernhard Adelmanns an Pirckheimer 1517 dez 11 [Heumann, Documenta 165]: Displicet plurimum nostro archigrammateo tuorum liber, quem in favorem ac laudem Deurndanck edidere; sed sic agitur: dum sua cuique placent, credula turba sumus.
  3. [292] 41) Ulman II, 7503, wo auf handschriftliches Material in Fuggers Ehrenspiegel verwiesen ist.