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anderes andere Freunde, aber er durfte doch auch von sich selbst sagen, daß er ein fleißiger und unermüdlicher Anwalt der Vergangenheit sei, dem nichts zu gering dünkt, was der studierenden Jugend nützen könnte.[1]

Denn das ist nun das Auszeichnende seiner Tätigkeit, daß er sie in großartiger Weise als aufklärende auffaßt. Auch hier war Celtis vorangegangen mit seinen Vorträgen über Tacitus und den Ligurinus. Cuspinians historische Werke sind in der Form eigentlich auch nur niedergeschriebene Vorträge, sei es, daß er, wie in seinen Consules wirklich einen alten Text zugrunde legt und ihn mit Heranziehung aller ihm sonst bekannten Zeugnisse interpretiert, sei es, daß er, wie im Kaiserbuch eine mehr oder weniger ausführliche Biographie vorlegt und den Leser zur weiteren Belehrung auf die Quellen verweist.

Damit kommt nicht nur ein erfrischender persönlicher Ton in die Darstellung, Cuspinian wird auch als erster zu einer kritischen Diskussion über Wert und Parteistellung der Quellen geführt. Bei den antiken Autoren war es längst Gebrauch, der Ausgabe eine Vita vorauszuschicken, die diese Fragen erledigte – das hat Cuspinian zunächst für Cassiodor nachgeahmt und ihn in der Einleitung seiner Consules mit eindringender Gelehrsamkeit gewürdigt, er hat, wie wir sahen, auch seiner Ausgabe Ottos von Freising eine solche Vita aus Enea Silvio beigegeben, dann aber hat er überhaupt seine Quellen unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Wie er sich dabei auf umstrittenem Gebiete bewegte, das zeigen vielleicht am besten seine Bemerkungen zu Julian Apostata und zu Heinrich IV. Julian ist natürlich auch für ihn der Christenverfolger, und wenn er sich auch über das Lob, das Eutrop ihm gespendet hat, nicht mehr verwundert, wie Nauklerus getan hatte, so ist er doch, wenigstens in den Consules, geneigt, sich, wie Nauklerus, die orthodoxe Charakteristik des Gregor von Nazianz zu eigen zu machen. Aber daneben steht nun das Bild des sittenreinen, tatkräftigen, geistig hochstehenden Herrschers, das er aus Ammian gewinnt, und er empfiehlt diesen und den Panegyrikus des Mamertinus in erster Linie als Quellenlektüre, dann aber auch die Briefe und Reden des Kaisers, „quas nuper Aldus noster, graecae literaturae ingeniosissimus opifex, ne perirent, in mille exemplaria excusa per orbem latinum emisit“. Bei Heinrich IV. aber, den er im übrigen ziemlich im kirchlichen Sinne charakterisiert, stellt er noch bemerkenswertere Erwägungen über die Quellen an. Berthold und Ekkehard stehen als wichtigste voran, „licet uterque ardentius quam conveniat pium imperatorem insectetur“; aber ehrlicher und unparteiischer


  1. [296] 70) Caesares 219,10; Consules 469; vgl. auch Caesares 174: Longum esset ea [sc. pia gesta Caroli Magni] ordine recensere, qui iam annis pluribus in recognoscendis monasteriorum ac templorum diplomatibus non vulgarem operam impendi, qui harum rerum curiosus antiquitates nostrae Germaniae in cultu ac religione Christi perdiscere volui.