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ihm noch mehr zurück, als es auch in einem Kaiserbuch hätte sein müssen. Mit keinem Wort verrät er einen nationalen Anteil an den Kämpfen der Völkerwanderung, und die Varusschlacht veranlaßt ihn – bezeichnend genug – nur zu einer heraldischen Bemerkung.[1]

Denn Cuspinians Kaiserbuch läuft nicht in eine Geschichte des Reichs oder des Kaisertums aus, sondern in eine der österreichischen Staatspolitik, wie sie Friedrich III. und Maximilian trieben. Von diesem Gesichtspunkt aus aber ist besonders die Biographie Friedrichs III, mit der er sein Werk ursprünglich schloß, ein kleines Meisterstück.

Wie er diesen passiven Herrscher in den Mittelpunkt der Ereignisse zu stellen weiß, wie er ihm im Kampf mit Bruder und Vetter als Vertreter des Unteilbarkeitsprinzips[2], im Kampf mit seinen Ständen als Inhaber der Staatsautorität, im Kampf mit Böhmen und Ungarn als Sachwalter längst begründeter Erbansprüche Sympathien zu gewinnen sucht, das ist erstaunlich geschickt gemacht. Auch das verdient Beachtung, daß diese Kämpfe allein das Thema der Biographie bilden, der Romzug von 1452, der in die Darstellung verflochten ist, soll mit seiner geflissentlichen Betonung des glanzvollen Verlaufs nur ein Gegengewicht gegen die weniger erfreulichen Dinge bilden, die Cuspinian aus den Erblanden zu erzählen hat. Die Reichsangelegenheiten aber sind in einen Anhang verwiesen und auch hier ist nicht ungeschickt ein Grundsatz kaiserlicher Politik gesucht: Deutschland den Frieden zu bringen.

Ähnlich ist die Biographie Maximilians gehalten. Was sie für die Kenntnis des Menschen bringt, wird noch zu würdigen sein, ihr eigentlicher Inhalt aber ist die Bewährung des Wahlspruchs: Tu felix Austria nube. Der Hochzeitstag von 1515 ist nicht nur der große Tag in Cuspinians Leben gewesen, er erscheint ihm auch als die Krönung eines lang und mühsam errichteten Werkes österreichischer Staatskunst, zugleich als der Beginn einer zukunftsvollen Entwicklung. Hat er vielleicht unter diesem Eindruck auch schon bei Karl dem Großen den Ausdruck des Bedauerns eingemischt, daß sein Zwiespalt mit Byzanz nicht durch eine Ehe mit Irene geschlichtet wurde?[3] Wenn sodann in dem ganzen Schluß des Werks die Türkenfrage alles beherrschend hervortritt – viel stärker als etwa die italienischen und französischen Angelegenheiten –, so wird man nicht nur an Cuspinians eigene Diplomatentätigkeit, sondern auch an das Kapitel im Weißkunig denken müssen, in dem Max bei der Schilderung seiner Taufe die Vertreibung der Türken als seine Lebensaufgabe bezeichnet.


  1. [298] 86) Caesares 7: Von den zwei Adlern, die die Deutschen dort erbeutet haben, schreibt sich das Reichswappen her. Non enim biceps est aquila, ut imperitum vulgus credit, sed duae simul, quam altera alteram expassis alis obtegit. Quelle ist Celtis, Norimberga cap. 4 oder Hutten, Opp. III, 335.
  2. [298] 87) Caesares 409,23: principatus dividi lege non debet, ut ratio feudorum ostendit.
  3. [298] 88) Caesares 171,36 ff.