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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Versuche der Römer, seine Güte zu bestechen, waren vergebens, je sanfter und liebevoller seine Seele sonst, desto standhafter jetzt in ihrem Hasse. Es versammelte sich bald ein großes Heer zu ihm, vorzüglich freuten sich die Deutschen, daß sie diejenigen züchtigen sollten, um derentwillen sie vernachläßigt waren. Schwer würde Otto’s Rache die Römer getroffen haben, wenn nicht die schwärzeste Melancholie alle seine Kräfte gelähmt hätte. Vergebens suchte er sich vor ihr zu retten! am Tage erschien er mit erzwungner Heiterkeit im Gesichte, aber ganze Nächte hindurch saß er schlummerlos, mit niederhängendem Haupte, starren Augen, aus denen je und je Thränen hervorquollen. Die Treulosigkeit der Römer hatte seine Heiterkeit auf immer zerstört.

Vielleicht wirkte auch auf Otto’s Seele der Wahn, welcher um diese Zeit allgemein war, daß mit dem Jahr Tausend das jüngste Gericht herannahe. Von jeher war ein solcher Glaube unter den Menschen, welche das, was sie am meisten fürchten,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_409.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)