Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. | |
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Meines Jammers Kelch war noch nicht ausgetrunken,
Ha! drum bin ich zur Verwesung nicht gesunken.
Von des Grabes Schauerschlaf erwacht’ ich, fand
Der die Todeswunde mir verband. –
Schwer entrang ich mich der Ewigkeiten Schwelle.
Plötzlich warf von sich der Greis das Mönchsgewand,
Und mein guter alter Treuhold stand
Weinend drückt’ er mir die Hand.
Werde stumpf Empfindung! fleuch Verstand!
Eine Nachricht fuhr aus Treuholds Kehle,
Wie ein Wetterschlag in meine Seele.
Tausend Feindesschwerter konnten mich nicht tödten,
Brechen sollt’ ich halbverkümmert meine Ketten,
Mich mit Todsgefahr vom Sklaventode retten,
Stürzen in des Meeres Schlund hinab,
Schmachtend sollt’ ich, reif zur Sterbestunde
Meine Heimath, und nach einer Todeswunde
Dieses Leben wieder sehn,
Um in Schmerzen der Verzweiflung zu vergehn.
Den ein Gottverlaßner Pfaff verwegen
Ueber dieses Band am Altar sprach,
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)