Seite:De Neue Thalia Band2 046.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Sey Freund von allen; aber lange sichte
Und prüfe scharf und faß in jedem Lichte,

105
Und blicke tief bis auf den Grund

Dem Manne, dem du in die Arme sinkest;
Denn wisse, wenn du Gift statt Heilung trinkest,
So bleibt dein Herz auf ewig wund.

Trau nicht den Menschen; dicker Firnis decket

110
Die wahre Farbe, welche tief verstecket

Sich selten, in der Leidenschaft nur zeigt:
Verachte stolz den stolzen goldnen Thoren,
Doch mehr noch jenen, der mit leisen Ohren
Sich bis zum Gürtel schmeichelnd beugt.

115
Stets handle fest nach männlichen Gesetzen;

Die du dir schriebst, und eines zu verletzen
Sey Hochverrath an der Vernunft:
Trägst du Zufriedenheit in deiner Seele,
So ist dein Glück für Menschen groß, so quäle

120
Dich nicht um Beyfall einer Zunft.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)