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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

sich enger und enger, bis der Kelch das Verlangen zu stillen scheint [1]. Indeß ist das Geschlecht der Pflanzen nicht von dem Schicksal gesegnet. Die Blüthe fällt ab, und die Frucht bringt wieder den gleich rohen, und gleich sich verfeinernden Stamm hervor. Wenn im Menschen die Blüthe welkt; so macht sie nur jener schöneren Plaz, und den Zauber der schönsten birgt unserm Auge erst die ewig unerforschbare Unendlichkeit. Was nun der Mensch von außen empfängt, ist nur Saamenkorn. Seine energische Thätigkeit muß es, seys auch das schönste, erst auch zum seegenvollsten für ihn machen. Aber wohlthätiger ist es ihm immer in dem Grade, in welchem es kraftvoll, und eigen in sich ist. Das höchste Ideal des Zusammenexistirens menschlicher Wesen wäre mir dasjenige, in dem jedes nur aus sich selbst, und um seiner selbst willen sich entwickelte. Physische und moralische Natur würden diese Menschen schon noch an einander führen, und wie die Kämpfe des Kriegs ehrenvoller sind,

  1. Göthe, über die Metamorphose der Pflanzen.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.):Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Leipzig: Georg Joachim Göschen, 1792, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_138.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)