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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

„Was du mit mir machen willst, Sokrates.“ – Laß uns also gehen. Wir wollen einmal dem Sprichwort eine kleine Gewalt anthun [1] und uns einbilden, als hieße es:

Bey dem Edeln bittet der Edle sich selber zu Gaste.

Hat es doch Vater Homer sogar umgekehrt, da er den weichlichen Menelaus ungeladen zu des tapfern Agamemnons Opfermahl kommen läßt, den Schlechtern zu dem weit Edlern. – „Und mit Homer werd ich es wohl auch halten müssen, da ich mich als ein Mann von gemeinem Schlage bey einem Philosophen zu Gaste bitte. Wie wirst du es aber verantworten, Sokrates, daß du mich mitbringst? denn mache dich immer darauf gefaßt, daß ich mich auf deine Einladung berufe.“ Dazu wird sich auf dem Wege schon Rath finden. Komm nur.

So giengen wir also fort. Sokrates, der seinen Gedanken nachhieng, blieb bald zurück, und hieß mich, da ich auf ihn warten wollte, vorangehen. Es machte sich aber seltsam genug. Die Thüre an Agathons Hause fand ich offen und ein Sklave, der mir entgegen kam, führte mich gleich in den Saal, wo die andern schon an der Tafel waren und eben zulangen wollten. Du kommst eben recht, Aristodem, rief mir Agathon


  1. Das Sprichwort hieß eigentlich:
    Bey dem Niedrigen bittet der Edle sich selber zu Gaste.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_175.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)