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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Lidia.

Des Lebens reinstes Glück bleibt unerreicht
durch Müh’, es reißt die schwache Menschenhand

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den Wolkenschleier nicht vom Angesicht

des ew’gen Himmels, um der Sterne Licht
zu schaun – ihr funklend Auge blikt so frey –
wir lenken sie so wenig, als das Glück.

Irene.

Oft wagt der Freundschaft fester stiller Blick,

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die Nebel zu durchschau’n – es legen sich

auch Wolken zwischen beßre Seelen oft.
Im engen Kreis des eig’nen Vortheils gehn
Gemeinere einher, ein g’rader Sinn
mißt diesen leicht für einen jeden zu.

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Da wo sich mannichfache Kräfte regen

verstrikt die Seele sich oft wunderbar,
und tausendfarbig spielt die Lieb’ ins Leben.
Verknüpfet mit Gedanken strenger Pflicht
erwählt sie einen edlen Tod, und blüht’

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dann aus der Asche neu und ewig auf.

Dir ist Diagoras geneigt, es nannte
mein Herz bey deinen ersten Worten ihn.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_254.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)