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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

sie mögen nun ihm wirklich zukommen oder nicht. Sind sie falsch, so hat das nichts zu bedeuten. Die Aufgabe scheint nämlich hier gewesen zu sein, daß jeder von uns den Amor nach Belieben preisen solle, ohne zu verlangen, daß er damit wirklich gepriesen werde. Daher habt ihr einer nach dem andern eure Beredtsamkeit aufgeboten, und dem Amor diese und jene Eigenschaften und Verdienste beigelegt, damit er, freilich nur in den Augen der Nichtkenner (denn mit den Kennern ist’s eine ganz andre Sache), in höchster Schönheit und Vollkommenheit erscheinen möchte. Und so ist denn seine Verherrlichung gar schön und stattlich zu Stande gekommen. Aber ich verstand mich nun auf diese Methode zu lobpreisen nicht; und wußte also eigentlich gar nicht was ich versprach, als ich mich anheischig machte, wenn die Reihe mich träfe, auch eine Lobrede zu halten. Also hat

die Zunge nur versprochen,
das Herz weiß vom Versprechen nichts.

Hiemit also Gott befohlen! Auf diese Weise zu loben, kann ich unmöglich übernehmen; das ist meine Sache nicht. Gefällt es euch aber, das, was sich von Amor Wahres sagen läßt, von mir zu hören, so bin ich sehr bereit dazu. Nur müßt ihr mir auch erlauben, auf meine Art zu sprechen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_327.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)