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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

niemals Liebe, so wenig als man diejenigen, die ein solches Verlangen haben, Liebhaber nennt. Diese Benennung des Gattungsbegriffes, Liebe, Lieben, Liebhaber, wird nur von Einer gewissen Art jenes allgemeinen Verlangens nach Glükseligkeit gebraucht.“ – Es wird nicht viel fehlen, daß du recht hast. – „Es geht zwar eine Sage: Lieben heiße, seine Hälfte suchen. Allein, meine Gründe beweisen, daß Liebe weder eine Hälfte noch ein Ganzes suchen würde, wenn sie es nicht als etwas Gutes ansähe. Verlangen doch die Menschen sogar das Abnehmen ihrer eignen Hände und Füße, wenn sie ihnen verdorben scheinen: zum offenbaren Beweiß, daß die Menschen nicht einmal das, was zu ihnen selbst gehört, unbedingt lieben; man müßte denn schon zum voraus nur das, was Gut ist, zu dem Eigenthümlichen des Menschen rechnen, und alles, was er Böses und Verdorbenes an sich hat, für fremdartig ausgeben. Die Menschen lieben also nichts anders als das Gute. Kömmt dirs nicht auch so vor?“ – Nein, beym Jupiter, nicht anders. – „Kann man also nicht am kürzesten überhaupt sagen: die Menschen lieben das Gute?“ – Ja. – „Muß man aber nicht hinzusetzen: sie lieben den Besitz des Guten?“ – Allerdings. – „Und zwar den immerwährenden Besitz?“ – Auch das. – „Alles zusammen genommen ist also die Liebe: das Verlangen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_345.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)