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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

nicht gepaart mit großen Reizen des Körpers, so muß er gleichwohl eine Freude an ihm haben, ihn lieben, sich für ihn interessiren. Zur Unterhaltung mit einem solchen Geliebten hingerissen, wird er genöthiget, über Gegenstände nachzudenken, die zur Bildung junger Seelen vorzüglich geschikt sind. Dadurch wird er nun veranlaßt, auf das, was in den Handlungen und in den Gesetzen schön ist, aufmerksam zu sein. Er wird also bemerken, daß Schönheit in jeder Art von Gegenständen dasselbige sei. So lernt er, auf körperliche Schönheit einen minder großen Werth legen; so wird er hernach, durch einen höhern Schritt, Schönheit in Handlungen, und durch einen neuen Fortschritt, Schönheit in den Wissenschaften entdecken. Auf diese Art wird er einsehen, daß man Schönheit in verschiednen Arten von Gegenständen und nicht bloß in einer einzigen aufsuchen müsse, wie etwa ein gemeiner Liebhaber an seinem einzigen Liebling; und daß es einen sklavisch denkenden, beschränkten Kopf verrathe, sie nur in einem einzelnen Menschen, oder in einer einzelnen Handlung finden zu wollen. Er wird das große Meer des Schönen durchschiffen, und im Beschauen so vieler und mannichfaltiger schöner Gegenstände neue Ideen erzeugen, und zu Einer fruchtbaren Philosophie sammeln. So gestärkt und erweitert wird dann seinem Geiste eine wahre Wissenschaft erscheinen, welche das Schöne

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)