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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Schönheit – gelingt dirs einst, sie zu schauen – wird dir in einem weit herrlicheren Lichte erscheinen als Gold und Kleider, und Knaben und Jünglinge – Gegenstände, deren Anblick dich doch schon so entzückt, daß du und viele andere, welche diese Gegenstände ihrer Neigung unaufhörlich beschauen, und, von ihnen unzertrennlich sind, wenns möglich wäre, ohne zu essen und zu trinken, in unaufhörlicher Anschauung verloren, mit ihnen auf immer unzertrennlich vereinigt zu werden wünschet. Was muß es erst werden, wenn einem das Glück widerfährt, die Urschönheit selbst, ächt, rein, unvermischt, nicht verbunden mit körperlicher Masse oder Farben oder andern vergänglichem Tand, sondern in ihrem göttlichen Glanze, in der ganzen Reinheit ihrer Form zu erblicken? Glaubst du nicht, daß ein solcher Anblick, wo der Mensch das, was er eigentlich soll, gleichsam von Angesicht zu Angesicht schaut, und sich innig mit ihm vereint, sein Leben beneidenswerth machen müsse? Glaubst du nicht, daß er dann, wenn ihm dieser, einzig auf diese Art mögliche, Anblick der Urschönheit zu Theil geworden ist, große Thaten erzeugen müsse, die nicht bloß Schattenbilder von Tugenden sind, weil sie ihr Dasein nicht einer Vereinigung mit einer Truggestalt zu danken haben, sondern wahre wirkliche Tugenden, aus der Verbindung mit der wahren Urgestalt entsprossen? Sind aber durch

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_359.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)