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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Aber nicht alle Bewegungen am Menschen sind der Grazie fähig. Grazie ist immer nur die Schönheit der durch Freyheit bewegten Gestalt,


nehmlich, der sich aus Gebärden zu Zügen verfestete, und also die Fertigkeit des Gemüths in schönen Empfindungen an den Tag legt. Wenn aber der Herr Berichtiger des Homischen Werks seinen Autor durch die Bemerkung zurecht zu weisen glaubte, (Siehe in demselben Band S. 459.) „daß sich die Anmuth nicht bloß auf willkührliche Bewegungen einschränke, daß eine schlafende Person nicht aufhöre reizend zu seyn“ – und warum? „weil während dieses Zustandes die unwillkührlichen, sanften und eben deswegen desto anmuthigern Bewegungen erst recht sichtbar werden“, so hebt er den Begriff der Grazie ganz auf, den Home bloß zu sehr einschränkte. Unwillkührliche Bewegungen im Schlafe, wenn es nicht mechanische Wiederholungen von willkührlichen sind, können nie anmuthig seyn, weit entfernt daß sie es vorzugsweise seyn könnten, und wenn eine schlafende Person reizend ist, so ist sie es keineswegs durch die Bewegungen die sie macht, sondern durch ihre Züge, die von vorhergegangenen Bewegungen zeugen.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)