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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Aus des Mundes süßen Melodieen

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     Tönt die Seele freundlicher hervor,

Auf der Sprache sanften Harmonieen
     Steigt sie milder zu des Freundes Ohr:
Spricht im leisen Ach! wie Wehmuthsflöten,
     Wenn die Nachtigall am Waldsee klagt:

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O! und was der blöde Mund nicht wagt,

Sagt der Liebe Tochter, das Erröthen.

Geist und Seele lebt im schönen Bilde,
     Wie im Spiegel eine Lichtgestalt,
Wahrer Abdruck iener innern Milde,

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     Die in schöne Formen überwallt.

Geist und Seele schwebt aus jeder Regung,
     Wie auf Grazien die Anmuth schwebt;
     Geist und Seele wallt und wirkt und lebt
In der Glieder leisester Bewegung.

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Ida, meine Ida, Jugendblüthe

     Welkt hinweg vom Engelangesicht;
Aber dieses Herzens ewge Güte
     Schwindet aus dem schönen Auge nicht.
Anmuth strömt von eines Nestors Munde,

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     Und der Seele holden Abglanz bleicht,

     Wenn die Schönheit mit der Jugend weicht,
Keine Zeit und keine Todesstunde.

W. Fink.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_233.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)