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von Regen herabströmt, wie man es im Sommer oft bei sogenannten Strichregen oder Platzregen bemerkt. In diesem Falle bleibt die Wolke nicht immer dieselbe, wie sie es, von der Erde aus gesehen, zu seyn scheint, sondern erneuert sich beständig; sie bewirkt da, wo sie hinkommt, eine Zerstörung der vorhandenen Wasserdämpfe, und je größer die Menge, und je schneller die Zerstörung derselben ist, desto heftiger wird der Regen. Die Wolke wird dadurch durchaus nicht erschöpft, sie kann vielmehr einen Zuwachs gewinnen, wenn die Menge der Dünste, die sich mit ihr vereinigt, größer wird, als die Menge, die sich in ihrem Innern zersetzt. Der Regen hört auf, nicht, weil es an Wasserdämpfen in der Atmosphäre gebricht, sondern weil entweder die Wolke, welche die Zerstörung derselben bewirkte, vorüber ist, oder weil in der Wolke selbst und der sie umgebenden Luft Veränderungen vorgehen, welche die Zerstörung des Wasserdampfes in ihr hemmen, und nach und nach die Dünste der Wolke selbst zerstreuen und auflösen.




Mäßigkeitsvereine in den nordamerikanischen Freistaaten.

So sehr wir auch die Monarchien unter Monarchen und Ministern verehren, welche sich in der wichtigen Frage, wie ein gegebenes Volk aufs Gemeinnützigste und am wohlfeilsten regiert werden kann, vor fixen Ideen und vor dem Einflusse des persönlichen oder Familieneigennutzes zu bewahren wissen, und an manchen Republiken neuester Stiftung das Streben der Partheiungen hassen, welche sich lieber von Anarchie als von einer vielleicht nicht fehlerlosen Verfassung beherrschen lassen; so möchten wir darum doch nicht gerade den Behauptungen einiger Zeitungen folgen, welche aus den leidenschaftlichen Kämpfen einiger jener Freistaaten mit der Centralregierung in Washington die nahe Auflösung des großen republikanischen Staatenverbandes der jenseitigen Halbkugel folgern; denn die dortigen Mäßigkeitsvereine, um der daselbst überhand nehmenden Trunkliebe und deren traurigen Folgen durch Entsagung aller destillirten hitzigen Getränke vorzubeugen, die keine einzelne Staatenregierung oder die Centralmacht zu verordnen wagte, haben auffallend das Laster der Trunkenheit vermindert, bloß weil der helle Verstand der Staatsbürger die Nothwendigkeit dieser freiwilligen Entsagung einsieht.

Allerdings herrschte die leidige Trunkliebe ungesunder hitziger Getränke unter den Nordamerikanern bis 1828 weit ärger, als im Norden Europa’s und in den Ländern, wo leider die Wohlfeilheit des Kartoffelbranntweins und die Theurung des Biers uns täglich Scheusale der Trunkenheit zeigt.

Jährlich starben von 13 Millionen Menschen in den nordamerikanischen Freistaaten wenigstens 30,000 an den Folgen der Völlerei, ohne diejenigen zu rechnen, welche unter den 2 Millionen Negersklaven sich diesem Laster ergeben hatten, und von 5000 Verbrechern, welche im Staate New-York mit einer freien Bevölkerung von mehr als 2 Millionen Köpfe jährlich bestraft wurden, waren weit über die Hälfte Personen, welche im trunkenen Muthe Verbrechen und Frevel begangen hatten.

Alle Laster schänden den Menschen, machen ihn jedoch nicht durchaus zum Sklaven eines thierischen Genusses, und weil dieß der Fall ist, so kehrt doch mancher Lasterhafte früher oder später zur sittlichen Regelmäßigkeit und zur Selbstbeherrschung zurück; allein die Trunkenheit raubt dem Säufer den Gebrauch jeder edleren Seelenkraft und läßt die Arbeitsamkeit des thätigsten Mannes lässig werden.

In allen civilisirten Staaten vermag die öffentliche, von der Vernunft unterstützte Meinung gar viel. Wenn daher in solchen verkehrte Gesetze, Sitten und Gewohnheiten die Menschen lange genug geplagt haben, so entsteht aus den Mißbräuchen selbst mit oder ohne Mitwirkung der Regierung ein besserer Zustand. Weil im Staate New-York von der Periode des Freiheitskrieges her die Völlerei besonders in der Hauptstadt gleichen Namens mit 200,000 Einw., also der größten amerikanischen Stadt, überhand genommen hatte, so sammelten sich dort zuerst und hernach überall anfänglich in diesem und hernach in den andern Frei-Staaten freiwillige Vereine, welche dem Branntweine, Rum und Arrak gänzlich entsagten. Es entstanden 21 Hauptmäßigkeitsgesellschaften mit 4000 Filialen. An diesen Gesellschaften nehmen jetzt Theil 11/2 Million Köpfe.

650 Seeschiffe amerikanischer Flagge untersagten sich allen Gebrauch jener Getränke, weil die Rheder keine andern Kapitaine, Steuerleute und Matrosen annahmen, als die sich diesem Vereine anschlossen.

Über die Hälfte der Brennereien gingen ein, die Einfuhr destillirter Getränke fiel monatlich immer mehr. Die klugen Jungfrauen beschlossen, nur Jünglinge zu heirathen, welche sich dem Mäßigkeitsvereine anschlossen; die Väter gaben ihre Töchter nur ganz nüchternen Jünglingen. Dieß wirkt um so mehr, da sich junge Männer nirgends früher verheirathen, als in den Freistaaten, wo es jedem fleißigen Familienvater so leicht ist, eine Gattin und Kinder zu ernähren.

Verhältnißmäßig sind die meisten Mitglieder der tugendhaften Gesellschaft junge Personen, aber selbst viele der dem Trunke sehr ergebenen Greise treibt die Schaam der Verachtung, welche die Jugend wider lasterhafte alte Personen ausspricht, vom Laster allmälig zurück zu treten. Am wenigsten schlossen sich ältere unverehlichte Personen beider Geschlechter dem Mäßigkeitsvereine an. Auch trifft man unter diesen Unverehlichten die meisten Verbrecher und Egoisten.

Als davon die Rede war, ob die Geistlichen auch von der Kanzel die Mäßigkeitsvereine empfehlen sollten, beschlossen sie, nicht durch Lehre, sondern durch ihren allgemeinen Beitritt ihren Pfarr- und Synagogengenossen als Vorbild durch die That zu dienen.

Lebte noch der ehrliche Franklin, der so oft seinen Mitbürgern vergebens die Mäßigkeit empfahl, so würde er der feurigste Lobredner der Jugend, von deren künftigem Tugendsinne er den langen Bestand der von ihm begründeten Republik hoffte, in unsern Tagen geworden seyn. Übrigens beweiset der muthige Entschluß eines freien Volkes, einem anerkannt nachtheiligen Laster zu entsagen, welche Ehrfurcht der Nordamerikaner im Ganzen den weisen Gesetzen und den guten Sitten seines Vaterlandes zollt!

Als Einer der unmäßigen Greise, früher ein beliebter Volksschriftsteller, eine alberne Schrift herausgab, worin er beweisen wollte, daß die Tendenz der Mäßigkeitsvereine in seinem Vaterlande freiheitstörend und antirepublikanisch sey, lachte mit Recht die klügere Jugend über den kindisch gewordenen Greis.

Ich rühme bei dieser Gelegenheit Eines der weisesten Polizeigesetze Norwegens, daß nur Wittwen und Männer von höherem, wenigstens 50jährigem Alter und bekannter Nüchternheit Schenkwirthschaften in den Städten und auf dem Lande treiben dürfen. Der Grund des Gesetzes ist, daß das gemächlichste aller Gewerbe dem Alter ausschließungsweise gebühre. Irre ich nicht, so dürfen auch in einem Schenkhause in Norwegen keine ledigen Frauenzimmer auf ihre eigene Hand wohnen.

Empfohlene Zitierweise:
diverse: Das Pfennig-Magazin/Heft 2. Bossange Vater, Leipzig 1833, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_PfM_1833_05_11_nr_02.djvu/3&oldid=- (Version vom 15.5.2024)