Seite:De Schiller Die Räuber 006.jpg

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Reiz vom Größe und Schönheit so empfindlich macht; diese Offenheit die seine Seele auf dem Auge spiegelt, diese Weichheit des Gefühls, die ihn bey jedem Leiden in weinende Sympathie dahinschmelzt, dieser männliche Muth der ihn auf den Wipfel hundertjähriger Eichen treibet, und über Gräben und Pallisaden und reißende Flüße jagt, dieser kindische Ehrgeitz, dieser unüberwindliche Starrsinn, und alle diese schöne glänzende Tugenden, die am Vatersöhnchen keimten, werden ihn dereinst zu einem warmen Freund eines Freundes, zu einem treflichen Bürger, zu einem Helden, zu einem großen großen Manne machen – seht ihrs nun Vater! – der feurige Geist hat sich entwickelt, ausgebreitet, herrliche Früchte hat er getragen. Seht diese Offenheit, wie hübsch sie sich zur Frechheit herumgedreht hat, seht diese Weichheit, wie zärtlich sie für Koketten girret, wie so empfindsam für die Reitze eine Phryne! Seht dieses feurige Genie, wie es das Oel seines Lebens in sechs Jährgen so rein weggebrannt hat, daß er bei lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leute, und sind so unverschämt zu sagen: c’est l’amour qui a fait ça! Ah! seht doch diesen kühnen unternehmenden Kopf, wie er Plane schmiedet und ausführt, vor denen die Heldenthaten eines Kartouches und Howards verschwinden! – Und wenn erst diese prächtigen Keime zur vollen Reife erwachsen,

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Friedrich Schiller: Die Räuber. Frankfurt und Leipzig: 1781, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Schiller_Die_R%C3%A4uber_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)