Seite:De Schiller Die Räuber 049.jpg

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Amalia. O nein, das thaten sie nie!

Franz. Ach sie stimmten so harmonisch zusammen, ich meynte immer, wir müßten Zwillinge seyn! und wär der leidige Unterschied von aussen nicht, wobey leider freylich Karl verlieren mus, wir würden zehnmal verwechselt. Du bist, sagt’ ich oft zu mir selbst, ja du bist der ganze Karl, sein Echo, sein Ebenbild!

Amalia schüttelt den Kopf. Nein, nein, bey jenem keuschen Lichte des Himmels! kein Aederchen von ihm, kein Fünkchen von seinem Gefühle –

Franz. So ganz gleich in unsern Neigungen – die Rose war seine liebste Blume – welche Blume war mir über die Rose? Er liebte die Musik unaussprechlich, und ihr seyd Zeugen, ihr Sterne! ihr habt mich so oft in der Todtenstille der Nacht beym Klaviere belauscht, wenn alles um mich begraben lag in Schatten und Schlummer – und wie kannst du noch zweiffeln, Amalia, wenn unsere Liebe in einer Vollkommenheit zusammentraf, und wenn die Liebe die nemliche ist, wie könnten ihre Kinder entarten?

Amalia sieht ihn verwundernd an.

Franz. Es war ein stiller heiterer Abend, der lezte, eh er nach Leipzig abreißte, da er mich mit sich in jene Laube nahm, wo ihr so oft zusammensaset in Träumen der Liebe – stumm blieben wir lang – zulezt ergrif er meine Hand und sprach

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Friedrich Schiller: Die Räuber. Frankfurt und Leipzig: 1781, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Schiller_Die_R%C3%A4uber_049.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)