Seite:De Schiller Die Räuber 189.jpg

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Daniel. Gott erbarme sich meiner.

Franz. Schneebleich stunden alle, ängstlich klopfte die Erwartung in jeglicher Brust. Da war mirs, als hört ich meinen Namen zuerst genannt aus den Wettern des Berges, und mein innerstes Mark gefror in mir, und meine Zähne klapperten laut. Schnell begonn die Waage zu klingen, zu donnern der Fels, und die Stunden zogen vorüber, eine nach der andern an der links hangenden Schaale, und eine nach der andern warf eine Todsünde hinein –

Daniel. Oh Gott vergeb euch!

Franz. Das that er nicht! – die Schaale wuchs zu einem Gebirge, aber die andere voll vom Blut der Versöhnung hielt sie noch immer hoch in den Lüften – zulezt kam ein alter Mann, schwer gebeuget vom Gram, angebissen den Arm von wütendem Hunger, aller Augen wanden sich scheu vor dem Mann, ich kannte den Mann, er schnitt eine Locke von seinem silbernen Haupthaar, warf sie hinein in die Schaale der Sünden, und siehe, sie sank, sank plötzlich zum Abgrund, und die Schaale der Versöhnung flatterte hoch auf! – Da hört ich eine Stimme schallen aus dem Rauche des Felsen: Gnade, Gnade jedem Sünder der Erde und des Abgrunds! du allein bist verworfen! – Tiefe Pause. – Nun, warum lachst du nicht?

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Friedrich Schiller: Die Räuber. Frankfurt und Leipzig: 1781, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Schiller_Die_R%C3%A4uber_189.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)