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     Von droben blickte der Junker fast wie zornig in die Kirche hinab. »Dominus vobiscum« sang der Pastor und wandte sich dann zum Altar.

     Und wieder drehten in der Gemeinde sich die Köpfe abwärts nach dem Eingang: ein zweiter, aber schwerer Wagen fuhr draußen vor der Kirchthür auf: Peitschenklatschen, ein Fluch des Fuhrknechts war hereingedrungen, und während der Pastor die Collecte las, war aufs neu die Kirchthür aufgestoßen. Es wurde todtenstill: der herzogliche Rath mit ein paar hohen, stolzen Frauen, denen eine Kammerzofe folgte, war in den Mittelsteig getreten.

     Der Junker Hinrich hatte im Kieler Rathhause doch wohl fehlgesehen; denn die jüngere der Frauen erschien gar stattlich, aber sie blickte kalt und strenge um sich. Als sie weiter vorgegangen waren, und der Bräutigam nach dem Patronatsstuhl aufsah, stutzte er und hielt die Frauen an seinem Arm zurück. Die Augen der Brüder hatten sich gefaßt, und eine Weile standen sie wie still in einander; der blonde Frauenkopf da oben war todtenbleich geworden.

     »Es ist besetzt;« sagte der da unten; »aber ich werde uns Platz zu schaffen wissen«. Und da der Pastor ausgelesen hatte, tönten diese Worte durch die ganze Kirche.

     Hätten die Augen des Junkers Hinrich tödten können, der Sprecher wäre lebendig nicht vom Platz gekommen;

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)