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     »Was hat denn der gewollt?« 

     »Weiß nicht, er frug nach Euch; da hab ich zu der Frau ihn hingewiesen.« 

     »Bärbe!« sagte der Junker leise, und auf der Bettkante sitzend, strich er seinem Weibe die feuchten Haare von den Schläfen.

     »Ja?« – – Wie ein Hauch kam es, und wie aus einer fernen Welt hob sich das junge durchsichtige Antlitz aus dem Kissen auf. »Bist du es, Hinrich?« – Und sie streckte heftig ihre beiden Hände um seinen Hals, und schrie, als ob Entsetzen sie befalle: »Nein, nicht von Dir; nicht von Dir! O – lieber sterben!« Dann ließ sie los, und sank mit geschlossenen Augen in die Kissen.

     Der Junker war an der Bettstatt hingestürzt: »Nein, nicht von mir; nie, nie! – – Hör es, hör es doch; nie von mir, so lange wir beide leben!« 

     Aber sie lag wie eine Todte.

     Da besann er sich: »Der Bote muß was gebracht haben;« sprach er; »holet es mir!« 

     Und die dumme Dirne, die an der Thür stand und mit der Faust die Thränen von den Augen wischte, lief in das Wohngemach und brachte ihm etliche Schriftstücke und eine aufgerissene Hülse.

     »Seh Sie nach meinem Weibe!« sagte er zu der Frau; dann las er; und nach einer Weile laut und immer lauter: »Dann anno 1655 ist gen. Vater

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_069.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)